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Was tun bei Demenz?

Rein medizinisch gesehen versteht man unter Demenz eine Erkrankung des Gehirns, bei der vor allem das Gedächtnis und die Sprache mit der Zeit immer schlechter funktionieren. Der Betroffene verliert immer mehr die Kontrolle über sein Denken und Handeln, wodurch sich seine Persönlichkeit und sein Verhalten verändert. Dieser Zustand ist auch für die Angehörigen sehr belastend, da demenzkranke Menschen mit andauernder Krankheit oft wichtige Stationen ihres Lebens einfach vergessen und manchmal sogar gewalttätig werden. Demenz ist neben Depressionen in Deutschland die am häufigsten diagnostizierte gerontopsychiatrische Erkrankung - rund eine Million Menschen in Deutschland leiden daran. Ungefähr zwei Drittel der Betroffenen werden von Angehörigen betreut, doch die häusliche Pflege ist eine enorme psychische und finanzielle Belastung für die Angehörigen. Oft wird medizinische Hilfe, mit der die Symptome wirksam gemildert werden könnten, zu spät gesucht, da Demenz auch in der heutigen Gesellschaft noch ein Tabuthema darstellt.
Eine frühzeitige Diagnose bedeutet für den Patienten einen Zeitgewinn. Im günstigen Fall kann durch Medikamenteneinnahme der Krankheitsverlauf verlangsamt und dadurch noch für viele Jahre Lebensqualität gewonnen werden. Für vorsorgende Maßnahmen bleibt mehr Zeit, um im Sinne des Patienten ein Netzwerk an Hilfen aufzubauen und Entscheidungen für den späteren Verlauf der Krankheit zu treffen.

Erhält der Hausarzt durch einen Test im Rahmen einer allgemeinmedizinischen Untersuchung des Gesundheitszustandes Hinweise auf eine demenzielle Erkrankung seines Patienten, wird er ihn zur weiteren Abklärung an einen Geriater, Gerontopsychiater oder einen Neurologen überweisen, um Diagnose und medizinischen Behandlungsplan aufeinander abzustimmen.  
Sowohl die Demenzerkrankung als auch die Depression erfordert fachärztliche Betreuung wie auch ein verlässliches persönliches Umfeld des Betroffenen. Wenn die  krankheitsbedingten Probleme im Alltag überhand nehmen, sollte über die Aufnahme in eine stationäre Pflegeeinrichtung nachgedacht werden. Im nachfolgenden Teil möchten wir Sie sowohl mit psychologischen Ratschlägen unterstützen, als auch die gesetzlichen Richtlinien und die wichtigsten Pflege- und Beratungsstellen der Kommune vorstellen.

Warnsignale der Alzheimer Erkrankung

Folgende Auffälligkeiten lassen sich zu der in einem gewissen Umfang „normalen“ Vergesslichkeit im Alter abgrenzen:
 

  • Ihr Angehöriger hat nicht nur den Namen des Nachbarn vergessen, sondern kann sich an die Person an sich nicht mehr erinnern.
  • Weil manche Worte entfallen sind, werden falsche oder Fantasie-Begriffe gewählt.
  • Durch zeitlichen Orientierungsverlust verschwimmen nicht nur Wochentage, sondern auch Monate und Jahreszeiten. Bekannte Wege nach Hause werden wegen räumlichem Orientierungsverlust plötzlich nicht mehr gefunden.
  • Die Persönlichkeit Ihres Angehörigen verändert sich drastisch. Zum Beispiel wird eine bislang ausgeglichene Person auf einmal bei jeder Gelegenheit aufbrausend.
  • Alltagskompetenz geht verloren. Weil alltäglichen Dingen kein Sinn mehr zugeordnet werden kann, fällt das Essen mit Besteck oder die Nutzung anderer Gebrauchsgegenstände schwer.

 

Tipps für den Alltag

 

Biographie-Koffer

Nennt sich die Sammlung der besonderen persönlichen Erinnerungen, zum Beispiel Bilder, Stofftiere oder Selbstgebasteltes, mit denen der Betroffene angenehme Gefühle verbindet. Gegebenenfalls sollten vergrößerte Fotos von besonderen Feierlichkeiten oder Stationen des Lebens in ein Fotoalbum geklebt werden, das sich Ihr Angehöriger immer wieder ansehen kann.

Ernährung

Viele Demenzkranke haben einen sehr starken Bewegungsdrang, den Sie nicht unterdrücken können. Allerdings sollten Sie für einen gefahrlosen Streckenverlauf sorgen. Der dadurch vermehrte Kalorienbedarf kann durch kleine Zwischenmahlzeiten (Fingerfood) gedeckt werden. Das Durstempfinden lässt im Alter generell sehr häufig nach, daher ist es ratsam, die aufgenommene Flüssigkeit durch ein spezielles, als Hilfsmittel anerkanntes Glas, das die jeweils getrunkene Flüssigkeitsmenge aufaddiert, zu kontrollieren.

Personensuche

Großen Kummer für Angehörige bereiten immer wieder spontane Spaziergänge, insbesondere zu nächtlichen Stunden. Oft findet der Betroffene später den Weg nach Hause nicht mehr und schämt sich zu sehr, Ortsansässige um Hilfe zu bitten. Die Suche lässt sich so manches Mal verkürzen, wenn der Betroffene stets ein Handy bei sich trägt. Wenn er es nicht bedienen kann, lässt es sich wenigstens im Zweifelsfall orten. Denn es besteht die Möglichkeit, sich zur deutschlandweiten Handyortung über den Notruf 112 registrieren zu lassen. Eine Life-Sensor-Notfallakte ermöglicht die Hinterlegung von Angaben zu einer Kontaktperson oder zu einem Hausarzt.     

Fundsachen

Auf nächtlichen Ausflügen kann schon mal was verloren gehen. Wer auf ehrliche Finder setzt, fixiert frühzeitig Namensetiketten in Mänteln, Taschen, Regenschirme und Geldbörsen. In Schlüsseletuis sollten Sie allerdings besser die Adresse weglassen. Und wenn es schon nicht zurück gebracht wird, findet sich auch im Fundbüro manches wieder.

Rechtliche Vorschriften und stationäre Einrichtungen


Die vielfältigen Probleme, die mit dem schleichenden Fortschreiten der Erkrankung verbunden sind, führen in vielen Fällen zur Überforderung der betreuenden Angehörigen. Daher ist neben der frühzeitigen Diagnose auch die umgehende Unterstützung des oft schon hochbetagten Patienten in seinem Umfeld erforderlich, wenn durch konsequente Nutzung von Entlastungsangeboten für Angehörige ein Heimaufenthalt so weit wie möglich verzögert werden soll.
Die folgenden Absätze gehen speziell auf die Änderungen des rechtlichen Rahmens und auf die Angebote ein, die sich auf die Unterstützung von Demenzkranken und ihren Familien spezialisiert haben.  

Die Pflegereform

hat in mehreren Etappen die Vorrausetzungen zur Verbesserung der Leistungen für Demenzkranke bewirkt. Am 01. Juli 2008 ist das Gesetz zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung  (PfWG) in Kraft getreten, das den Betreuungsaufwand für Demenzkranke und andere Menschen mit einem besonderen Betreuungsbedarf jetzt stärker berücksichtigt, als es seit der Einführung der Pflegeversicherung jahrelang der Fall war.

Feststellung zusätzlichen Betreuungsbedarfs

Seit 2002 werden die Kosten zusätzlicher Betreuungsleistungen für demenzkranke Pflegebedürftige durch die Pflegekassen übernommen. Fixiert ist dieser Grundsatz im Pflegeleistungsergänzungsgesetz (PfLErG). Die Richtlinien zur Feststellung des Hilfebedarfs von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz wurden 2008 dahingehend überarbeitet, dass Leistungen auch für diejenigen möglich sind, bei denen der zeitliche Aufwand für Grund- und Behandlungspflege als zu gering für die Einstufung als „pflegebedürftig“ erfasst wurde.  
Die Kriterien für den zusätzlichen Betreuungsbedarf sind:

  • unkontrollierbares Verlassen des Wohnbereichs (Weglauftendenz)
  • verkennen und verursachen gefährdender Situationen
  • unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen
  • tätlich oder verbal aggressives Verhalten – Situation wird nicht angemessen eingeschätzt
  • Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen
  • Störungen der höheren Hirnfunktion (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben
  • Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren
  • verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren
  • überwiegende Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression


In den vom Bundesgesundheitsministerium am 26. Mai 2008 zugestimmten Richtlinien werden auch die unterschiedlichen Ansprüche auf Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich (100 bzw. 200 Euro monatlich) und die leistungsgerechten Zuschläge in vollstationären Pflegeeinrichtungen erläutert.

Qualitätsgeprüfte Betreuungsangebote

Ambulante Pflegedienste können sich an der qualifizierten Versorgung von Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf beteiligen und ein qualitätsgesichertes Betreuungsangebot  nach § 45b SGB XI  neben den sonstigen Leistungen der Alten- und Krankenpflege mit den Pflegekassen abrechnen.

Pflegestützpunkte

Seit 2009 wurden in vielen Städten durch die Pflegekassen Pflegestützpunkte errichtet, um dort den Beratungsanspruch eines chronisch kranken oder behinderten, hilfebedürftigen Menschen gewährleisten zu können. Seit dem 1. Januar 2009 hat jeder, der einen Antrag auf Leistungen an die Pflegekasse stellt, unabhängig von der Bewilligung des Antrags, ein Recht auf umfassende persönliche Beratung vor Ort. Pflegeberater informieren trägerneutral über vorhandene Angebote, erfassen die persönlichen Bedürfnisse im einzelnen und kontrollieren den Erfolg der vermittelten Hilfen sowie die tatsächlich erfolgte Bewilligung von Leistungen. Sie sind behilflich bei der Beantragung von Leistungen aus den Sozialhilfegesetzbüchern SGB V (Krankenhilfe), SGB IX (Behindertenhilfe), SGB XI (Pflegeversicherung) und SGB XII (Sozialhilfe) und leiten die Anträge an die zuständige Stelle weiter.  

Für NRW gilt: Demenz-Servicezentren

wurden durch ein Projekt der Landesregierung und der Stiftung Wohlfahrtspflege errichtet. Sie initiieren, entwickeln und koordinieren den Aufbau von niederschwelligen Angeboten für Demenzkranke und ihre Angehörigen. Sie werden mit den Pflegestützpunkten vor Ort zusammenarbeiten.             

Betreuungsassistenten

Im Zuge der neuen Pflegereform stellen die Pflegekassen in vollstationären Pflegeeinrichtungen durch gesonderte Vereinbarungen zusätzliches, geschultes Personal für Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf zur Verfügung. Der Betreuungsbedarf wird individuell erfasst und der zusätzliche Personalaufwand für die Einrichtung berechnet. Der Bewohner, dessen Betreuungsbedarf festgestellt wurde, hat jetzt einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen in der Einrichtung. Das kann beispielsweise Unterstützung in der Freizeitgestaltung sein.

Neue Wohnkonzepte

Traditionelle Pflegekonzepte bieten nur bedingt den nötigen Rahmen für die besonderen Bedürfnisse von Demenzkranken, zu denen der hohe Bewegungsdrang gehört, der wiederum Zwischenmahlzeiten erfordert, die nötige Flüssigkeitszufuhr erschwert und ein hohes Sturzrisiko birgt. Gefühlsschwankungen von Seiten der Patienten, Depressionen, schnelle Überforderung, Unsicherheit, Kommunikationsprobleme und verändertes Sozialverhalten bedürfen ebenfalls besonderer Aufmerksamkeit, Anleitung und Begleitung. Daher setzen neue Wohnkonzepte für Demenzkranke auf einen ruhigeren Rahmen in einer überschaubaren, familienähnlichen Gruppengröße und die Einbindung von Angehörigen und Betreuungspersonal.

Ambulant betreute Wohngemeinschaften

unterscheiden sich von der Hausgemeinschaft durch den (Einzel-/Gruppen-) Mietvertrag, der durch einen Vertrag mit einem ambulanten Pflegedienst ergänzt wird. Rahmenvereinbarungen zwischen Anbieter und Leistungsträger (Kranken- und Pflegekasse, Sozialhilfeträger) sind möglich und für alle Beteiligten sinnvoll. Es gibt wie beim „Betreuten Wohnen“ Grund- und Wahlleistungen, die ausdifferenziert im Vertrag aufgenommen werden müssen.

Hausgemeinschaft

Einer Großfamilie ähnlich wird der Tagesablauf mit alltagsnahen Beschäftigungen, wie dem Zubereiten von Mahlzeiten, überwiegend gemeinschaftlich verbracht. An der Planung der Beschäftigungs- und Freizeitangebote sind in der Regel Fachpersonal (Pflegefachkräfte, Sozio- und Ergotherapeuten) und Angehörige beteiligt, in der Organisation und Durchführung dann auch das Betreuungspersonal. Der Bewohner einer Hausgemeinschaft schließt mit dem Träger einen Heimvertrag zur vollstationären Versorgung.  

Unterstützung in geriatrischen Abteilungen

Demenz ist bislang nicht heilbar, aber medikamentöse Hilfen in einem frühen Stadium können das Niveau der Hirnleistung über einen ungewissen Zeitraum hoch halten. Die Verzögerung des Abbauprozesses bedeutet einen längeren Erhalt von Selbstständigkeit und somit einen Zugewinn an Lebensqualität. Viele Kliniken bieten nach der Diagnose der Krankheit entsprechende Therapien an. Dem Betreffenden und seinem Umfeld soll Klarheit und Verständnis für den Krankheitsprozess vermittelt werden, was den Umgang miteinander erleichtert. Zudem können somit rechtzeitig im Sinne des Patienten Vorsorgeregelungen getroffen werden, insbesondere für Maßnahmen, die dem Patienten langfristig den notwendigen Rahmen an Sicherheit und fürsorgender Unterstützung bieten.

Niederschwellige Angebote

werden frei zugängliche Dienstleistungen genannt, die ganz unkompliziert, ohne Formalien und hohen Kostenaufwand von jedermann in Anspruch genommen werden können. Der Begriff wird im Zusammenhang mit Hilfen bei Demenzerkrankung genutzt, um Angebote wie Beratung, Selbsthilfegruppen, offene Vorträge, Gesprächskreise, Besuchs- und Betreuungsdienste zusammenzufassen. Sie dienen überwiegend der Prävention und dem Erhalt einer hohen Lebensqualität.

Hilfen für Betroffene und deren Angehörige

 

Selbsthilfegruppe

Unter fachärztlicher Begleitung trifft sich regelmäßig eine Gruppe von Betroffenen und ihrer Angehörigen, um über ihre Erfahrungen und Probleme im Alltag mit der Krankheit zu sprechen.

Über die Service-Nummer 0180 /171017 können Sie sich als Betroffener, Angehöriger und Ratsuchender bundesweit von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft für 9 Cent pro Minute qualifiziert beraten lassen.     
 

Der Sozialpsychiatrische Dienst

bietet Ihnen diskrete und persönliche Beratung an, wenn Sie mit Fragen zur auffälligen Isolierung des Menschen, zu geistigen Einschränkungen, demenziellen und psychischen Erkrankungen, Sucht und anderen Problemen konfrontiert werden. Sie erhalten Informationen und konkrete persönliche Unterstützung bei der Entscheidung für eine therapeutische Behandlung, zur Versorgung und Betreuung eines kranken Angehörigen.

Datum der Veröffentlichung: 13.10.2014



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