Seite 10 - koeln_chronik_leseprobe

Basic HTML-Version

Allein gelingt dieses Vernichtungs-
werk den Römern allerdings nicht.
Wie vieleFremdherrscher vor und
nach ihnen setzen sie auf einheimi-
sche Opportunisten, die mit spitzen
Ohren zuhörenund dann für ein
paar Wa en, Haushaltswaren oder
Luxusartikel ihre Landsleute verpfei-
fen. Die Petzen sind in diesem Fall
die Ubier. Der Germanenstamm lebt
eigentlich rechts des Rheins zwischen
Sieg, Lahn und Main, hat sich aber
schon früh für die Segnungen der
römischen Zivilisation begeistert.
Die Ubier haben gar keine Lust,
gegen die Römer ins Feld zu ziehen.
Lieber ziehen sie als Hilfssoldaten
mit ihnen oder arbeiten als Spione.
Caesar lobt deshalb, die Ubier seien
besonders kultiviert. Allerdings sind
die Wälder Germaniens nicht so groß
und undurchdringlich, dass dieses
Treiben bei anderen Stämmen nicht
die Runde machte. Verräter sind nicht
gern gesehen – und solche mit römi-
schen Luxusartikeln imHaus schon
gar nicht. Hatten die Ubier geho ,
mit ihren Tributzahlungen den Schutz
der Stärkeren zu genießen, so sehen
sie sich nun den Wa en feindlicher
Stämme und der Unschlüssigkeit der
Römer gegenüber.
Dann kommt Marcus Vipsanius
Agrippa ins Rheinland. Der Politiker,
Feldherr, Schwiegersohn und Freund
von Octavian – der sich später Augus-
tus nennen lässt – steht mit beiden
Beinen im Leben. Er ist schon mit
den Füßen zuerst zur Welt gekom-
men – das bedeutet sein Nachname.
Nach der Ermordung Caesars 44 v.
Chr. hat Agrippa die Anklage des
Mörders Cassius übernommen und
im folgenden Bürgerkrieg an der Seite
Octavians eine entscheidende Rolle
gespielt. Er weiß, wie man herrscht
und begrei als Statthalter in Gallien
schnell, dass das Machtvakuum am
Rhein nicht bleiben kann. Um andere
daran zu hindern, das ehemalige
Land der Eburonen zu besiedeln, holt
Agrippa die Ubier über den Rhein
und damit in seine Obhut. Auch wenn
man in Rom zu dieser Zeit noch ganz
Germanien besetzen will, erkennt
Agrippa den Rhein schnell als geeig-
nete Rückzugslinie, wenn an seinen
Ufern klare Verhältnisse herrschen.
Ob er mit den Ubiern einen formellen
Bündnisvertrag unterschreibt, bleibt
unklar. Jedenfalls gründet er für die
Opportunisten eine eigene Stadt:
oppidum ubiorum
. Dass die Geburts-
stunde Kölns schon in Agrippas erster
Amtsperiode 39/38 v. Chr. schlägt,
ist eher unwahrscheinlich. Spätestens
aber in seiner zweiten Amtszeit 20/19
v. Chr. beginnt eine Erfolgsgeschichte,
die auf deutschem Boden ihres-
gleichen sucht.
Die Voraussetzungen sind von
Anfang an günstig. Die Siedlung liegt
auf einemHügel – westlich des heu-
tigen Altermarkt – gut geschützt vor
den Über utungen des Rheins an der
Kreuzung zweier Handelswege. Von
Lugdunum
– dem heutigen Lyon – aus
wird sie über
Augusta treverorum
Trier – ans römische Fernstraßennetz
angeschlossen, zunächst, um schnell
frische Truppen heranbeordern
zu können. Doch auch Waren und
Nachrichten gelangen so schnell in
das Oberzentrum der Provinz, das als
einzige befestigte Siedlung städti-
schen Zuschnitts weit und breit viele
Neugierige und Geschä sleute aus der
Umgebung anzieht. Die Römer weiten
die Bedeutung noch aus, indem sie
einen zentralen Huldigungsaltar
aufstellen lassen, an dem die Germa-
nen, so wie die Gallier in
Lugdunum
,
der Schutzgöttin Roma und den
vergöttlichten römischen Kaisern
opfern sollen. Führende Germanen-
häuptlinge werden dort als Priester
eingesetzt. Trotz aller U-Bahn-Bauten
hat man diesen
Ara Ubiorum
, den
Altar der Ubier, allerdings bis heute
nicht wieder entdeckt.
Im Jahr 4 n. Chr. – das ergeben
neuzeitliche Baumringanalysen –
fällen die Bewohner etliche massive
Eichenpfähle, um sie in den Sumpf
der Rheinaue zu treiben. Auf diesen
Ständern gründen sie dann aus
Tu steinquadern ein schweres Fun-
dament und schichten anschließend
einen noch heute 6,5 Meter hohen
Turm auf. Ob dieses „Ubiermonu-
ment“ als Wachturm für die Siedlung
oder den Hafen dient, wissen wir
heute nicht. Nach seiner Wiederent-
deckung in den 60er-Jahren an der
Malzmühle gilt es aber bis heute als
der älteste zeitlich datierte Steinbau in
Deutschland.
Marcus Vipsanius
Agrippa begreift
als Statthalter in
Gallien schnell, dass
das Machtvakuum
am Rhein nicht
bleiben kann.
Deshalb holt er die
Ubier als Vasallen
ans linke Rheinufer.
Archäologisches
Museum Venedig.
Foto: Arnaud Fafournoux
Ein Seitenbogen
des Nordtores in der
römischen Stadt-
mauer wurde auf
dem Domvorplatz
wieder aufgestellt.
Das Hauptportal
steht im Römisch-
Germanischen
Museum.
Foto: Martin Wein
0
1000
1100
1200
1300
1400
1500
1600
1700
1800
1900
2000
2100
17
Köln im Spiegel der Zeit
19