Tuttlingen stellt sich vor Infobroschüre

56 Wer Tuttlingen nicht kennt, mag sich erstaunt fragen, wie es sein kann, dass eine rund 35.000 Einwohnerstadt mit dem Slogan „Weltzentrum der Medizin­ technik“ für sich wirbt. Wie kam es, dass die Medizintechnik nicht nur zu Tuttlin­ gens wichtigstem Wirtschaftszweig wurde, sondern Tuttlinger Betriebe wie Aesculap und Karl Storz weltweit zu den „ganz Großen“ im Bereich der Produk­ tion und des Handels mit medizintech­ nischen Erzeugnissen zählen? Von der Produktion chirurgischer Instru­ mente zur Entwicklung der Medizintech­ nik zu einer Sparte, in der techno- logische Neuerungen in immer rasche­ rer Folge Einzug halten, war es ein weiter Weg. Die Wurzeln dieser Entwicklung liegen gut 300 Jahre zurück: Gegen Ende des 17. Jahrhun­ derts wurde das Eisen­ schmelzwerk im Tuttlinger Ludwigstal erbaut. Gute Gründe gab es genug: Reichhaltige Bohnerzvor­ kommen in der Umge­ bung der Stadt, deren günstige geographische Lage an der Donau und nicht zuletzt die großen Holzvorräte in der waldrei­ chen Gegend. Das Gewerbe in der Stadt entwickelte sich rasch, vor allem das eisenverarbeitende Handwerk gewann an Bedeutung. Um 1800 gab es bereits über 20 Messer- und Nagelschmieden in Tuttlingen, schon über 100 waren es nur 50 Jahre später. 1866 firmierten erstmals drei Betriebe als „Messerschmiede und chi­ rurgische Instrumentenmacher“. Im 19. Jahrhundert wuchs dieser Wirtschafts­ zweig nach und nach zum bedeutends­ ten Handwerk in der Stadt. Handwerksgesellen zogen zu dieser Zeit auf ihren Lehr- und Wanderjahren durch Europa, sammelten Ideen und setzten das Erlernte in den heimischen Das Weltzentrum Das Weltzentrum der Medizintechnik Betrieben um. Viele von ihnen führte ihr Weg nach Paris, das damals als fort­ schrittlichstes Zentrum der Chirurgie – dem seinerzeit modernsten Zweig der Medizin – galt. So auch Gottfried Jetter, der heute als Vater der Chirurgieme­ chanik in unserer Region gilt. Er kehrte 1866 in seine Heimatstadt zurück und begann mit der Fertigung chirurgischer Instrumente. Personal war reichlich vorhanden: Jetter schulte Messerschmiede, die das nötige Können beim Schmieden, Feilen, Schlei­ fen, Härten, Polieren und Montieren schon mitbrachten, zu exzellenten Ins­ trumentenmachern um. Als Erster begann er mit der serien­ mäßigen Produktion – anders als seine Konkurrenten im In- und Ausland, die meist auf hand­ werklicher Basis beschei­ dene Stückzahlen herstell­ ten. Als im Jahr 1877 die erste Dampfmaschine aufgestellt wurde, trat Karl Christian Schee­ rer, einer der bedeu­ tendsten württember- gischen Industriellen seiner Zeit, in das Un­ ternehmen ein. Aus der kleinen Werkstätte wur­ de 1895 die „Aktienge­ sellschaft für Feinmechanik, vormals Jetter & Scheerer“.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDIyMzg=