Balanceakt

Das vibriert wie eine gezupfte Gitarrensaite – jedes Mal, wenn ich meinen Fuß auf das Gurtband stelle, das zwischen zwei Bäumen im Park gespannt ist. Aufsteigen unmöglich. Geschweige denn, ein paar Schritte darauf zu gehen. Naja, eine angehende Seiltänzerin ist auch nicht an einem Tag reif für die Manege. Ich atme durch und klammere mich beim Aufsteigen an den Baum hinter mir. Der Seiltanz der Neuzeit nennt sich Slacklinen. Und es soll ein klasse Training für die tiefe Rückenmuskulatur sein. Sobald man es geschafft hat, darauf zu balancieren. Davon fühle ich mich noch weit entfernt.

Ich weiß nicht wie, aber nach dem zehnten Versuch hört das Zittern auf. Ich stehe für ein paar Sekunden auf einem wackeligen Bein, versuche, mich auch auf dem anderen in der Luft zu halten. Erstaunlich, ich habe etwas gelernt, ohne bewusst meinen Kopf einzusetzen. Oder mich körperlich besonders anzustrengen. Nach zwei geduldigen Stunden schaffe ich fünf stolze Schritte. Und spüre jetzt schon, wie der Muskelkater in den Oberschenkeln, im Rumpf und im Rücken zu schnurren beginnt. Von fünf erfolgreichen Schritten? Bis ich in die Hocke gehen, rückwärts laufen oder gar auf dem Seil hüpfen kann, braucht es vor allem eins: viel Geduld. Und: üben, üben, üben... Das Schöne auf dem Weg dahin: Slacklinen ist Entschleunigung pur. Und eine äußerst gesellige Freizeitbeschäftigung, die sich wunderbar mit einem Picknick mit Freunden verbinden lässt.

 

Welche Ausrüstung brauche ich?

Ein Einsteiger-Slackline-Set (Trickline oder Lowline) besteht aus einem 30 bis 50 Millimeter breiten und zehn bis 25 Meter langen Gurtband mit einer Schlaufe an einer Seite, einer Ratsche für die andere Seite und Baumschutzmatten. Ob schmaler oder breiter ist Gefühlssache, am besten vorher einmal mehrere Breiten ausprobieren. Man kann barfuß balancieren oder mit Schuhen mit dünner Sohle und wenig Profil. Wer sie beispielsweise im Garten fest installieren möchte und keine passenden Bäume hat, kann die Slackline auch im Boden verankern und über Holzböcke spannen.

 

Was kostet es?

Gute Einsteigersets gibt es ab 80 Euro, inklusive sollte immer ein Rundum-Baumschutz sein, damit die Natur nicht leidet. Weitere Kosten: keine. Fürs Slacklinen braucht man keine bestimmte Kleidung, zahlt keine Gebühren, und die Ausrüstung hält ewig.

 

Welchen Effekt hat Slacklinen?

Alle Bewegungen der Line sind im Grunde Bewegungen des Slackliners selbst. Je ruhiger man steht, desto weniger schwingt das Band. Slacklinen wirkt sich nicht nur auf das Gleichgewicht, die Koordination, Reaktionsfähigkeit und die Tiefenmuskulatur des Rückens aus, sondern beruhigt auch ungemein. Immer häufiger wird die Slackline auch zur Reha etwa bei Rückenpatienten eingesetzt: nicht nur stehend, auch mit zwei Slacklines parallel, mit den Armen im Liegestütz etc.

 

Wie lernt man Slacklinen?

Das hängt von den feinmotorischen und koordinativen Fähigkeiten und Erfahrungen ab. Wichtig: Haben Sie Geduld! Am besten beginnt man nach ersten geführten Schritten (an der Schulter eines Partners oder auch mit Nordic Walking-Stöcken) damit, auf einem Bein zu stehen und kontrolliert abzusteigen. Tipp: Aufrecht, aber locker in Hüfte und Knien stehen, ruhig atmen und den Blick nach vorn. Es geht nicht darum, möglichst schnell die ganze Länge ablaufen zu können, sondern kontrolliert zu balancieren.

 

Welche Varianten gibt es?

Neben der Lowline oder Trickline, wie sie auch oft genannt wird, die für den Einstieg gut geeignet ist, gibt es verschiedene Varianten für Fortgeschrittene. Die Schwierigkeit beim Balancieren auf der teils über 100 Meter langen Longline besteht darin, dass sie weniger straff gespannt werden kann und deshalb umso exzessiver schwingt. Zudem muss man sich sehr lange konzentrieren. Die Highline wird wie beim „echten“ Seiltanz in großer Höhe gespannt, ein Hüftgurt mit Verbindungsseil zur Line schützt vor dem Abstürzen. Die Jumpline ist besonders elastisch und erlaubt ähnliche Tricks wie auf einem Trampolin. Die Rodeoline ist eine nicht gespannte Slackline, also ein schlappes Gurtband, das nur durch das Gewicht des Slackliners straff wird und deshalb keinen „Schwingstopp“ hat. Eine Waterline ist eine Trick- oder Longline, die über Wasser gespannt wird, und das Absteigen somit zu einer feuchtfröhlichen Angelegenheit macht.

 

Bildquellen: shevtsovy/bigstock.com

Datum der Veröffentlichung: 06.08.2015
Beitragsverfasser: active woman

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