Den Karrierefallen entkommen
Sechs typisch weibliche Stolpersteine auf dem Weg nach oben und wie Sie diese vermeiden.
17.09.2015
Sechs typisch weibliche Stolpersteine auf dem Weg nach oben und wie Sie diese vermeiden.
Sandra A. hat ein E-Technik-Studium mit Bravour gemeistert und einen Wirtschaftsingenieurs-Master oben drauf gesetzt, vier Auslandsaufenthalte in Norwegen, den USA, Hongkong und Argentinien in ihr Studium integriert. Sie kann geradeaus und quer denken, ist eloquent und sie sieht blendend aus. Ein Fall für die Chefetage? Leider noch nicht.
Martin S. dagegen hat sein Maschinenbau- Studium abgebrochen und ein BWL-Studium mittelmäßig abgeschlossen – nach insgesamt sechs Jahren. Er spielt gerne Golf, kann gut auf den Tisch hauen und weiß, wo er hinwill, nämlich nach oben. Ein Fall für die Chefetage? Klarer Fall. Noch.
Auch wenn Studien beweisen, dass Frauen oft besser qualifiziert und feinfühliger als Männer sind und darüber hinaus den Blick für das große Ganze haben – an der Spitze von Unternehmen stehen sie nur selten. Und obwohl Sandra und Martin in etwa gleich alt sind, gleich lange im Entwicklungsbereich eines internationalen Elektronikkonzerns arbeiten, wurde Martin kürzlich befördert. Nun leitet er die Abteilung – mit sattem Gehaltsplus, Firmenwagen und fettem Grinsen im Gesicht. Sandra tobt. Aber nur innerlich. Nach außen hin gönnt sie es ihm lächelnd. Sie wäre gerne Abteilungsleiterin geworden.
Wir könnten nun auf Hetzjagd gegen das chauvinistische System gehen, uns selbst bemitleiden und alles auf den angeblichen Karrierekiller Kind schieben. Die Wahrheit ist: Wir stolpern immer wieder in typisch weibliche Karriere-Fettnäpfchen. Die gute Nachricht: Ab heute kennen wir sie und können sie umgehen.
Wie, Sie wollen gar keine Chefin sein? Das ist absolut in Ordnung. Studien haben ergeben, dass viele Frauen arbeits- und nicht aufstiegsorientiert arbeiten wollen. Falls Sie aber so wie Sandra spüren, dass Sie doch mehr mehr drauf haben und es zeigen wollen, dann sollten Sie sich mit den typisch weiblichen Karrierefallen beschäftigen. Das Ziel muss nicht immer mehr Geld heißen.
Mehr Entscheidungsfreiheit, eigene Ideen umsetzen zu können, keinem Chef mehr Folge leisten zu müssen – das alles sind tolle Ziele. Formulieren Sie Ihres für sich, verfolgen Sie es, und passen Sie gut auf die Fallen auf.
Karrierefalle 1: Vage interpretieren statt direkt zu fragen
Wenn Männer Neuigkeiten aus der Chefetage erfahren möchten, gehen sie auch schon mal Golf spielen. Und fragen den Boss dabei ganz direkt: „Stimmt es, dass Sie die freie Stelle des Abteilungsleiters intern besetzen wollen?“ Für Frauen riecht so etwas nach Vetternwirtschaft, sie möchten sich auf keinen Fall über das Hintertürchen Hobby einschleichen. Müssen sie auch nicht. Denn klare Worte sind durchaus erwünscht. Geht es um ihre Karriere, ihr Gehalt oder Firmenentwicklungen, geraten Frauen allerdings schnell ins Stottern. Dabei haben Sie ebenso wie jeder andere das Recht, sich zu informieren – genauso wie Ihr Gegenüber das Recht hat, Ihnen die Info nicht zu geben, was übrigens selten persönlich gemeint ist. Doch viele Frauen haben Angst davor, abgelehnt zu werden. Sie werfen lieber mit ihren Kolleginnen das Kopfkarussell an, interpretieren, ohne Konkretes aus erster Hand zu wissen. Extratipp: Nutzen Sie ein weibliches Talent, und hören Sie einfach gut zu.
Karrierefalle 2: Sich Ideen klauen lassen statt sie reifen zu lassen
Offenheit gegenüber Chefs und Kollegen macht sich in der Regel bezahlt. Nur bei einem Thema sollten aufstiegswillige Frauen zweimal schlucken, bevor sie konkret darüber sprechen: Für manche zielstrebige Kollegen ist Ideenklau ein Kavaliersdelikt. Deshalb sollten Sie eine Projektidee, die noch nicht spruchreif ist, besser in der Schublade lassen. Die Karriere-Spezialistin Cornelia Topf sagt: „Bevor Sie (zu) offen informieren, praktizieren Sie einen bewussten Denkstopp, holen Sie zweimal tief Luft, und fragen Sie sich: Was passiert mit dieser Information?“ Falls es doch einmal zum geistigen Diebstahl kommt, gehen Sie nicht petzen. Machen Sie dem Dieb klar, dass das Ihre Idee ist und dass Sie dafür eine Gegenleistung wollen – die Mitarbeit in dem kreativen Tablet-Projekt, das er leitet, oder die Übernahme einer ungeliebten Arbeit, die schon ewig an Ihnen klebt. Strafe muss sein.
Karrierefalle 3: Alles selbst machen statt richtig zu delegieren
Es gibt Frauen, die seit dem ersten Tag im Unternehmen für den Kaffee in Meetings zuständig sind. Ihre Versuche, das abzugeben, scheitern oft am Idiotentrick. So mancher Mann behauptet, mit der komplizierten Maschine nicht zurechtzukommen. Cornelia Topf sagt: „Kappen Sie Abseilern das Seil!“ Denn beim Kaffee bleibt es für „Abseiler“ nie: Sie wenden den Idiotentrick auch etwa für die Kundendatentabellen an: „Excel, das hab ich noch nie kapiert!“ Und auch wenn wir sie durchschauen: Aus Angst, dass er es aus Unlust nicht gut macht, machen wir es selbst und denken, der Chef müsse ihren Fleiß irgendwann bemerken und honorieren. Meist wird er das nicht. Fakt ist: Sind Sie „zu fleißig“, fehlt Ihnen die Zeit für Dinge, die Sie voranbringen. Der Trick heißt: Delegieren! Formulieren Sie konkret, was Sie von anderen erwarten. „Eventuell ergibt sich ja demnächst mal die Gelegenheit für die Abrechnung?“ ist weit weniger zielführend als: „Könnten Sie mir bitte die Abrechnung inklusive aller Spesen bis Freitag schicken? Danke!“ Lösen Sie sich von der Vorstellung, dass Sie gewinnen, wenn Sie die Drecksarbeit übernehmen. Vielmehr stimmt: Mit jedem berechtigten, freundlichen „Nein“ erklimmen Sie eine Sprosse auf der Karriereleiter.
Karrierefalle 4: Selbst nachbessern statt andere auf ihre Fehler hinzuweisen
Wenn Ihr Mitarbeiter die Arbeit nicht zufriedenstellend abliefert, arbeiten Sie nicht selbst nach, sondern suchen Sie das Gespräch – am besten nach dem Prinzip Lob-Kritik-Lob. „Die Pressemeldung haben Sie sehr prägnant und ansprechend verfasst. Könnten Sie noch einmal in Ruhe die Tippfehler korrigieren? Wenn Sie dann noch das Bildmaterial aufbereiten, schicken wir sie morgen früh direkt los! Vielen Dank!“ Der Mitarbeiter macht sich gleich eifrig an die Arbeit, die Harmonie ist gewahrt. Das Beste: Das nächste Mal liefert der Mitarbeiter gleich fehlerfrei und mit Bildern, weil er positiv motiviert wurde.
Karrierefalle 5: Konflikten aus dem Weg gehen statt Probleme anzusprechen
Harmonie um jeden Preis – das ist eine weibliche Karriereklippe, die schwer zu umschiffen ist. Was spricht dagegen, wenn keiner streitet und alle glücklich sind? Alles! Karriere-Expertin Cornelia Topf weiß: „Die Harmoniesucht bei Frauen zieht eine Störung der Harmonie nach sich.“ Probleme werden nicht gelöst, indem Sie Konflikten aus dem Weg gehen. Manche Frauen grübeln oft nächtelang, warum die Sekretärin des Chefs so pampig zu ihnen ist. Sie versuchen dann, ihr so wenig Arbeit wie möglich zu machen, legen ihr vielleicht sogar Kekse auf den Schreibtisch. Obwohl es sie ärgert, übernehmen sie mehr und mehr Sekretärinnenaufgaben. Weil‘s der Harmonie dient. Die Chefsekretärin ist gern mürrisch – mit diesem Trick hat sie so manche Kollegin fest im Griff. Cornelia Topfs Tipp: Sagen Sie sich jeden Tag fünfmal: „Ich kann es nicht allen recht machen – und ich will das auch gar nicht!“ Wenn Sie mehr verdienen und an den Herausforderungen eines Karriereschritts wachsen wollen, sollten Sie dringend lernen, sich Konflikten zu stellen. Konflikte insbesondere in der Arbeitswelt sind selten persönlich, sondern sachbezogen. Unterschiedliche Blickwinkel sind da naturgegeben, denn jeder Mitarbeiter, jede Abteilung, jeder Konzern hat seine eigene Interessensperspektive. Wenn Sie Ihre Interessen vertreten, macht Sie das nicht zur Streithenne, sondern zur wertvollen Mitarbeiterin, die sich behaupten kann. Hauen Sie doch auch mal auf den sprichwörtlichen Tisch! Sie werden überrascht sein, dass Ihr Ansehen bei Ihren Kollegen und Vorgesetzten nicht sinkt, sondern steigt. Bleiben Sie dabei aber immer fair.
Karrierefalle 6: Abwarten statt PR in eigener Sache zu machen
Wunderbar: Sie bringen Ihre Interessen direkt zur Sprache, lassen sich nicht mehr jede Drecksarbeit aufhalsen und müssen nicht mehr die beste Freundin des ganzen Konzerns sein. Und trotzdem klappt es nicht mit dem Aufstieg? Vielleicht hapert es an der Öffentlichkeitsarbeit. Viele hochqualifizierte Frauen wollen nicht machtgeil wirken, sind der Ansicht, dass die da oben von alleine auf sie aufmerksam werden. Leider ist das nicht so: „Tue Gutes und rede darüber!“, heißt ein altes Karrieresprichwort. Bringen Sie sachlich, aber stolz an, was Sie geleistet haben. Und verbuchen Sie auch Erfolge für sich, die vielleicht nicht zu hundert Prozent perfekt verlaufen sind. Zur erfolgreiche Eigen-PR gehört auch ein selbstbewusstes Äußeres: Ihre Kleidung, Ihre Mimik und Gestik, Ihre Haltung – setzen Sie diese Mittel klug ein! Greifen Sie frühmorgens nicht zur Jeans, sondern zum Hosenanzug wenn eine wichtige Projektbesprechung ansteht? Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Make-Up? Achten Sie bei der Präsentation Ihres Konzepts auf Ihre Haltung, auf Blickkontakt mit Ihrem Publikum? Dreimal „ja“? Prima! Ihre nonverbale Kommunikation macht nämlich unglaubliche 93 Prozent in Ihrer Wirkung auf andere aus.
Bildquellen:
dolgachov/bigstock.com
Kurhan/bigstock.com
Beitragsverfasser:
active woman