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Hoch hinaus
Sich an bunten Griffen in schwindelnde Höhen zu schwingen macht Spaß, tut dem Rücken gut und streichelt die Seele. Klettern in der Halle ist absolut im Trend. Ist das auch was für Sie?
14.12.2015
Sich an bunten Griffen in schwindelnde Höhen zu schwingen macht Spaß, tut dem Rücken gut und streichelt die Seele. Klettern in der Halle ist absolut im Trend. Ist das auch was für Sie?
Die Route heißt „Zini, das Wuslon“. Wie diese Routenbauer nur auf solche Namen kommen? Keine Ahnung, was ein Wuslon ist, aber heute möchte ich es ohne Pause bezwingen. Zinis Griffe und Tritte sind neongelb und in einer Ecke meiner heimischen Kletterhalle verborgen. Manche Griffe sehen aus wie Hände, manche wie Teile einer Glühbirne, andere wie ein Stück Kuchen. Ob es draußen am Fels auch so fantastisch geformte Griffe gibt? Mit dem Schwierigkeitsgrad 5+ nach der UIAASkala (Union Internationale des Associations d’Alpinisme) ist Zini eine echte Herausforderung für eine Anfängerin wie mich.
Ausbildung dringend empfohlen!
„Rechts an der Wand ist ein kleiner Tritt auf Kniehöhe!“, ruft mir meine Kletterpartnerin zu, als ich festhänge und meine Unterarmmuskeln zu brennen anfangen. Drei Züge noch, geschafft! Yes! Mein Herz hüpft. Selig schwebe ich nach unten, als mich meine Kletterpartnerin ablässt und mir währenddessen überschwänglich gratuliert. Wir sind süchtig nach der grauen, rauen Wand mit den bunten Felsbrocken aus Plastik, seit der allerersten Toprope-Tour. Toprope? Indoor-Anfänger starten in leichten Routen, in denen vom obersten Haken schon ein Seil baumelt (rope = Seil, top = oben), so dass sie sich auf das Klettern bzw. Sichern konzentrieren können. Unser Klettertrainer Oliver vom Alpenverein zeigte uns drei Abende lang unzählige Male und ausführlich, wie wir verschiedene Sicherungsgeräte richtig bedienen, wie wir einen Achterknoten knüpfen, wie wir als Sichernde das Seil einholen, einen Sturz bremsen und die Gipfelstürmerin wieder herunterlassen.
Zusammen mit kompetenten Trainern die Kletter- und Sicherungstechniken zu üben, ist ein Muss für alle, die mit dem Klettern anfangen. Hat man die Toprope-Basics drauf, geht es zum Vorstiegskurs, in dem man lernt, das Seil selbst in die Karabiner einzuhängen.
Bunte Vielfalt an der Kletterwand
Die Halle ist vor allem jetzt im Winter rappelvoll. Neben der Kindergruppe bei den kurzen Routen turnen erfahrene alte Haudegen mit klappernden Karabinern am Gurt deckenwärts. Bewegen sich zierliche Frauen fast tänzerisch in der Wand, lassen ehrgeizige junge Männer ihre Muskeln spielen. Eines ist allen gemeinsam: das selige Lächeln auf den Lippen. Wer klettert, tut es, weil er es will, nicht weil er mal wieder Sport machen sollte. Der Trainingseffekt ist allerdings auf keinen Fall zu unterschätzen: Beim Klettern sind Kraft und Kraftausdauer gefragt, Beweglichkeit und Koordination, von den Fingerspitzen bis zu den Füßen. Statische und dynamische Kraftarbeit, Maximalkraft-, Kraftausdauer- und Schnellkraft- Anforderungen wechseln sich ab; durch die Streckbewegung wird die Wirbelsäule mobilisiert.
„Alternativ zur Rückenschule ist Klettern der ideale Fitmacher für Menschen, die viel am Schreibtisch sitzen“, erklärt Marit Möhwald, begeisterte Kletterin und Sportwissenschaftlerin an der Uni Regensburg.
Klettern für Körper und Seele
Nicht nur Fitmacher, sondern auch „Schönmacher“: Nach kurzer Zeit schon zeichnet sich – neben den Rückenmuskeln – auch deutlich mein Trizeps ab, meine Haltung ist aufrechter und selbstbewusster. Und ich habe die Angst loszulassen überwunden. Loslassen und stürzen? Das klingt gefährlicher als es ist – bei richtiger Sicherungstechnik! – und ist beim fortgeschrittenen Kletterer sogar Teil der Taktik. Der Klettertrainer empfiehlt regelmäßiges Sturztraining, um die richtige Reaktion einzuüben und dem Kletternden sowie dem Sichernden die Angst davor zu nehmen. Das Allerschönste am Klettern ist für mich, dass ich wunderbar abschalten kann, den Kopf vom Stress des Alltags ganz schnell freibekomme.
Wenn ich in der Wand hänge, denke ich nur an eines: an den nächsten Griff, den nächsten Tritt. „Klettern ist eine so hochkoordinative Sportart, dass kein Platz für andere Gedanken bleibt“, sagt Sport-Mentalcoach Petra Müssig, die in speziellen Seminaren der Höhenangst zu Leibe rückt. Ob Klettern etwas für mich ist? Ganz klar: ja! Nie wieder ohne meine bunten Griffe.
Neugierig? Dann probieren Sie die Sportart doch einfach einmal bei einem Schnupperkurs aus!
Fotos:
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Beitragsverfasser:
active woman/mediaprint infoverlag