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Stadtentwicklung und regionale Bauprojekte
in Bad Aibling
J
Neue Stadtmitte Bad Aibling
Bad Aibling hat ein neues Zentrum. Das alte Rathaus aus dem Jahre
1972 wurde bis auf den Keller abgerissen und durch einen Neubau
ersetzt. Auch der sich davor befindende Marienplatz samt angren-
zenden Straßenzügen wurde komplett neu gestaltet. Beide Entwürfe
stammen von dem Büro Behnisch Architekten (Stuttgart/München/
Boston). Das Rathaus wie auch der neue Marienplatz mit den beiden
Brücken über die Glonn und den Mühlbach wurden Ende Oktober
2012 eingeweiht.
Die Architekten verstehen das architektonische Konzept des Rathau-
ses als „identitätsstiftend und kommunikationsfördernd. Es ist ein of-
fenes Haus, das sich in das alltägliche Leben seiner Bürger einbringt
und mit dem angrenzenden Marienplatz das Zentrum des städtischen
Lebens definiert.“
Ein Gebäude darf im öffentlichen Raum nicht nur reagieren, sondern
muss auch agieren, d.h. es muss unmittelbar zu einer Qualitätsstei-
gerung seines Umfeldes beitragen. Hierbei spielt nicht nur die funk-
tional optimale Einbindung eine Rolle. Auch die Schaffung öffentlicher
Räume mit Aufenthaltsqualität ist ein zentraler Aspekt.
In erster Linie ging es dem Architekten darum, ein Gebäude zu pla-
nen, in denen die Nutzer sich gern aufhalten. Menschliche Maßstä-
be, Farben, Pflanzen, unterschiedliche Materialien und der gezielte
Einsatz von Licht schaffen ein Umfeld, das individuellen Komfort,
Kommunikation, Arbeitsmotivation und Kreativität fördert.
Der helle Granit des Platzes zieht sich in das Gebäudeinnere als ein
öffentlicher Weg, der durch das Rathaus führt – gesäumt von Läden
und einem Restaurant. Er geht über in das mehrgeschossige Atrium,
das die unterschiedlichen Nutzungen des Rathauses als fließender
Raum für Begegnungen verbindet. Bürgerservice, Stadtbücherei,
Trauzimmer, Büroräume und Sitzungssäle gliedern sich auf den ein-
zelnen Ebenen daran an. Gleichzeitig wird durch das Atrium Tages-
licht in das Innere des Hauses gebracht.
Vor allem die skulpturale nördliche Atrium-
wand lenkt und reflektiert durch ihre Ausfor-
mung und Materialität das über Oberlicht­bänder
einfallende Licht. Die Wand setzt sich zu Brüstungen, Sitzbänken und
Theken fort.
Die leichte Konstruktion als Betonskelettbau mit Holzwänden, beplankt
mit auffallenden Holztafeln, ist auch dem erhalten gebliebenen Kel-
ler samt Gründung geschuldet. Drei prominente Öffnungen zu unter-
schiedlichen Seiten ermöglichen Ausblicke auf das Stadtzentrum und
die landschaftlich reizvolle Umgebung.
Die neue Ortsmitte erhielt nicht nur eine völlig neue Gestaltung son-
dern auch ein neue Verkehrslenkung, basierend auf dem „Shared
Space“ Modell. Dabei wurden die Straßenräume und Plätze umge-
staltet sowie zwei angrenzende Straßenbrücken (Glonn- und Mühl-
bachbrücke) in der Münchner Straße ausgebaut. Somit konnten die
hohe Lebensqualität für Anwohner, Besucher und Beschäftigte der
Innenstadt sowie die Sicherung der verkehrlichen Erreichbarkeit der
Innenstadt für Nutzergruppen mit geeigneten Verkehrsmitteln und
Wahrung eines hohen Verkehrssicherheitsstatus (insbesondere für
Schulkinder, ältere Menschen und Menschen mit Einschränkungen
ihrer Mobilität) erreicht werden.
Es gibt keine Lichtsignalanlagen „Ampeln“ mehr; dafür einen „Mini-
kreisverkehr“ und einen verkehrsberuhigten Geschäftsbereich mit
einer Höchstgeschwindigkeit von weniger als 20 km/h. Es muss in
diesen Bereichen langsam gefahren werden, um „schwachen“ Ver-
kehrsteilnehmern die gefahrlose Nutzung / Querung zu ermöglichen.
Die Belagsmuster mit seinem Farbasphalt überlagern die gesamte
Platzfläche einschließlich der Fahrbahn. Die Materialwechsel quer
zur Fahrbahn steigern die Aufmerksamkeit der Autofahrer und redu-
zieren die Geschwindigkeit. Belagsteppiche signalisieren unter an-
derem Querungsmöglichkeiten für die Fußgänger.