Seite 12 - cuxhaven_chronik_leseprobe

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über die aus seiner Sicht abgelegene
Gegend: „Dort bewohnt ein beklagens-
wertes Volk hohe Erdhügel, die mit
den Händen nach demMaß der
höchsten Flut errichtet sind. In ihren
Hütten gleichen sie Seefahrern, wenn
das Wasser das sie umgebende Land
bedeckt, und Schi rüchigen, wenn
es zurückgewichen ist und ihre Hütten
gleich gestrandeten Schi en dort
liegen.“ Den Chauken sei es nicht
vergönnt, Vieh zu halten – ein Fehler,
wie Ausgrabungen zeigen – wie ihren
Nachbarn, ja nicht einmal mit wilden
Tieren zu kämpfen, da jedes Busch-
werk fehle. Aus Schilfgras und Binsen
öchten sie Netze zum Fischfang.
„Und indem sie den mit den Händen
ergri enen Schlammmehr imWinde
als in der Sonne trocknen, erwärmen
sie ihre Speise und die vomNordwind
erstarrten Glieder durch Erde.“ Bis
ins 20. Jahrhundert waren Torföfen in
Friesland keine Seltenheit.
Bei Tacitus stehen die Chauken 20 Jahre
später in besseremRuf. Er hält sie
für das „vornehmste Volk unter den
Germanen, das seine Größe lieber
durch Gerechtigkeit erhalten will.“
Ohne Habgier, ruhig und abgeschieden
forderten sie nicht zumKrieg heraus,
schadeten nicht durch Raub- und
Plünderungszüge. Das soll sich ändern,
als die Chauken gegen 150 n. Chr. mit
eindringenden Reudingern aus dem
Norden im Stamm der Sachsen auf-
gehen. Als gefürchtete Seefahrer und
versierte Bootsbauer machen sächsi-
sche Trupps weit über die friesischen
Küsten hinaus von sich reden. Ob die
kostbare Silberschale aus römischer
Produktion, gefertigt um 380 n. Chr.,
die in der Neuzeit in Altenwalde zutage
kommt, ein Tauschobjekt oder Diebes-
beute ist, bleibt imDunkeln. Zwischen
Ems und Elbe zuhause, überfallen die
Sachsenmit ihren wendigen Lang-
schi en, die mit mehreren Dutzend
Ruderern besetzt sind, im 3. Jahr-
hundert n. Chr. jedenfalls zunächst die
gallische Küste und zwei Jahrhunderte
später auch Britannien. Viele dieser
Angelsachsen wandern auf die Insel
aus. Nicht nur auf der Feddersen
Wierde, sondern auch im sächsischen
Gau
Haduloha
an der Spitze des Elbe-
Weser-Dreiecks wird es dagegen für
längere Zeit still, bis neue Siedler die
verlassenenWurten für sich entdecken.
Auf den von den Flüssen aufgeschwemmten Uferwällen und den Strandwällen amMeer ziehen die ersten Marsch-
bewohner mit dem Vieh zusammen in längliche kombinierte Wohn-Stall-Häuser wie das rekonstruierte Bronzezeit-
haus von Rodenkirchen.
Foto: Martin Wein
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Cuxhaven im Spiegel der Zeit