65 9. Vorsorge und Todesfall 9. Vorsorge und Todesfall 9.1 Betreuungsrecht – mehr Selbstbestimmung für Patienten Die meisten Menschen verdrängen die Vorstellung, dass sie durch Unfall oder im Alter vielleicht nicht in der Lage sein werden, ihre rechtlichen und gesundheitlichen Angelegenheiten zu regeln. Wer entscheidet in einer Situation, in der man im Koma liegt oder aufgrund eines Unfalls oder infolge von altersbedingten Hirnabbauprozessen diese nicht mehr überschauen kann? Viele glauben, dass Ehe- oder Lebenspartner, Kinder, Enkel oder Eltern dazu berechtigt sind, über Behandlungsmaßnahmen zu entscheiden, Verträge oder Anträge zu unterschreiben oder, wenn nötig, einen Heimplatz zu besorgen. Ein automatisches Angehörigenvertretungsrecht gibt es jedoch nicht. Erst wer in solch einer Situation vom zuständigen Vormundschaftsgericht als gesetzlicher Betreuer eingesetzt wird, hat dann Entscheidungsbefugnis. Auch Familienangehörige werden als gesetzliche Betreuer bestellt. Wer eine Betreuerbestellung umgehen oder selbst entscheiden möchte, wer die Betreuung bei Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit übernehmen soll, muss vorsorgen. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Vorsorge: • Vorsorgevollmacht • Betreuungsverfügung • Patientenverfügung Rechtliche Betreuung Mit dem seit 1. Januar 1992 geltenden Betreuungsgesetz wurde das bis dahin gültige Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht für Erwachsene abgelöst. Demnach kann für einen Volljährigen aufgrund einer psychischen Krankheit, einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung eine Betreuung eingerichtet werden, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seine rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen. Probleme bei der Bewältigung von Angelegenheiten des Alltags (Reinigung der Wohnung, Einkaufen) rechtfertigen hingegen keine Betreuerbestellung. Ziel des Betreuungsgesetzes ist es, die Würde sowie die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der betreuten Menschen zu bewahren. Darüber hinaus soll der Betreuer den Wünschen des Betreuten entsprechen, soweit sie seinem Wohl dienen und umsetzbar sind. Eine Betreuung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen eingerichtet werden. Dritte können beim Gericht eine entsprechende Anregung einreichen. Das zuständige Vormundschaftsgericht prüft dann, ob die Einrichtung einer Betreuung erforderlich ist, wer als Betreuer bestellt werden kann und in welchen Lebensbereichen eine Betreuung notwendig ist. Sie kommt auch nur dann in Betracht, wenn andere geeignete Hilfen (z. B. gültige und ausreichend formulierte Vollmachten) nicht zur Verfügung stehen. Über eine Fortführung der Betreuung muss das Gericht nach spätestens sieben Jahren neu entscheiden. Wenn lebensnotwendige Entscheidungen (ärztliche Eingriffe) anstehen, kann eine Bestellung im Eilverfahren erfolgen. Ein reguläres Betreuungsverfahren dauert 3 bis 4 Monate.
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