Schule und was dann? Der richtige Weg in den Beruf 2021/2022 - Frankfurt am Main

08 DER WEG IN DEN BERUF AKADEMISCHE VERSUS BERUFLICHE BILDUNG AKADEMISCHE VERSUS BERUFLICHE BILDUNG – MIT VORURTEILEN AUFRÄUMEN! Heute hat mehr als jeder fünfte Erwerbstä- tige (22 Prozent) zuvor an einer Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie stu- diert. Der ungebremste Trend zur Akade- misierung sorgt jedes Jahr für viele neue Jungakademiker auf dem Arbeitsmarkt: Seit 2008 kletterte der Akademikeranteil unter den Erwerbstätigen um vier Pro- zentpunkte – das entspricht rund 2,4 Mio. Personen. Gleichzeitig, so zeigen aktuelle Projektionen, wird die Fachkräftelücke im Bereich der beruflich Qualifizierten auch in der aktuellen Dekade weiter bestehen bleiben – und somit viele Bereiche der Wirt- schaft bei der Personalgewinnung unverän- dert vor große Herausforderungen stellen. Dass diese Entwicklung anhalten wird, zeigen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Im vergangenen Jahr haben knapp 499.000 Studierende ihre akademi- sche Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem leichten Rückgang um ein Prozent, der sich insbesondere durch den demo- grafischen Wandel erklären lässt – dies zeigt sich ebenso an der rückläufigen Zahl der studienberechtigten Schulabgänger (-2,7 Prozent) . Insgesamt bleiben die Stu- dienanfängerzahlen (rund 508.000 Neuim- matrikulationen im Studienjahr 2019/20) jedoch auf hohem Niveau stabil, sodass auch die Zahl der Berufsanfänger mit akademischem Abschluss in den nächsten Jahren unverändert groß bleiben dürfte, bevor sie infolge der demografischen Ent- wicklung ebenfalls zurückgehen wird. Einen leicht rückläufigen Trend verzeichnet die berufliche Bildung hingegen bereits seit einigen Jahren: Insgesamt fragen weni- ger junge Leute eine betriebliche Aus- bildung nach, weshalb auch die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den vergangenen Jahren leicht gesunken ist. Langfristig betrachtet verzeichnet die Gesamtwirtschaft seit 2005 ein Minus von 4,6 Prozent. Trotz schwächerer Konjunktur haben die Unternehmen auch 2019 wieder eine Rekordanzahl an Ausbildungsplätzen bereitgestellt: Mit einem Plus von 6.600 auf rund 572.000 gemeldeten Ausbildungs- stellen war das Ausbildungsangebot aus Sicht der Jugendlichen so gut wie noch nie. Zugleich ist fast jeder zehnte von den Betrieben angebotene Ausbildungsplatz unbesetzt geblieben. Warum sich so viele Menschen für ein Hochschulstudium und nicht für eine berufliche Ausbildung entscheiden, beruht unter anderem auf einem Gesellschaftsbild, das nicht zuletzt durch die Politik vermittelt wurde: Das Abitur wird mittlerweile vielfach als „Mindestabschluss“ einer schulischen Qualifikation angesehen. Daraus resultiert bei Jugendlichen der Trugschluss, dass nur das Abitur optimal auf eine erfolgreiche Berufstätigkeit vorbereitet. Des Weiteren wird das Bild vermittelt, dass Akademiker mehr verdienen als Nichtakademiker und dass das Arbeitslosenrisiko geringer ist und Akademiker schlicht die „besseren Jobs“ haben. Doch stimmen diese (Vor-)Urteile tatsächlich? STIMMT ES EIGENTLICH, DASS AKADEMIKER MEHR VERDIENEN ALS NICHT- AKADEMIKER? Vergleicht man Gehälter von Akademikern und Nichtakademikern, setzten die meisten Studien auf einen Vergleich des Lebensein- kommens. Eine aktuelle Studie des Insti- tuts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) an der Universität Tübingen (2019) zeigt, dass der kumulierte Verdienst einer Person mit Ausbildung und anschließender Weiterbildung am Ende des Erwerbslebens fast gleichauf mit dem von jemandem mit Hochschulabschluss liegt, nämlich bei etwa 1,4 Millionen Euro. Mit neuen Untersuchungsansätzen zeigt die Studie zudem erstmals, in welcher Altersphase welche Personengruppen mehr verdienen: So haben beruflich Qualifizierte bis zum 60. Lebensjahr – und damit während des größten Teils ihres Berufslebens – finanziell gegenüber den Akademikern die Nase vorn. Diesen gelingt es also erst recht spät in ihrem (Berufs-)Leben, den durch längere Qualifizierungszeiten entstandenen Ein- kommensnachteil aufzuholen. Insbesondere in kostenintensiven Lebensphasen wie der Familiengründung oder dem Erwerb einer Immobilie verfügen beruflich Qualifizierte also bereits über ein gutes finanzielles Pols- ter, während Akademikerinnen und Akade- miker nicht selten noch ihren Studienkredit abstottern müssen. Hinzukommt, dass es in der Gruppe der Aka- demiker teils erhebliche Einkommensunter- schiede gibt: Darf ein Ingenieur in Luft- und

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