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o sich Acher und Schwarzbach in ihrem Lauf vereinigen,
heißt es in einer alten Chronik, liegt zum Schutze der
rechtsrheinischen Besitzungen der Grafen von Hanau-Lich-
tenberg die Festung Lichtenau, mit Wall, Graben und Mauer
umgeben. Baubeginn von Burg und Stadt Lichtenau durch
den Straßburger Bischof Konrad III. von Lichtenberg war um
das Jahr 1298.
Für die besonderen Verdienste des Bischofs und seines Nef-
fen Johann I. in den Diensten des Habsburger Königs und
Kaisers Albrecht I verlieh dieser in seinem Freiheitsbrief vom
14. Januar 1300 der Siedlung Lichtenau die Stadtrechte und
garantierte den Bürgern das Recht der persönlichen Freiheit.
Mag auch diese Sonderstellung unter den damaligen Verhält-
nissen ein gewisses Vorrecht für die Bevölkerung gebracht
haben, mussten diese Privilegien im Laufe der Jahrhunderte
teuer bezahlt werden. Statt der erhofften Sicherheit inner-
halb der Stadtmauern herrschte oft Not, Brandschatzung
und Plünderung, denn im Laufe der Zeit gewann der befes-
tigte Marktflecken an Bedeutung und Einfluss und war somit
Ziel kriegerischer Übergriffe.
Von 1335 bis 1390 war Lichtenau Residenzstadt der Grafen
von Hanau-Lichtenberg. Es wurde Sitz der weltlichen und
kirchlichen Behörden für die ganze Grafschaft und erlangte
so wohl die größte Bedeutung in seiner Geschichte. Lich-
tenau bildete gleichzeitig auch die nördlichste Bastion des
Hanauerlandes, die sich 250 Jahre behauptete und während
GESCHICHTE
VON LICHTENAU
dieser Zeit oft in die kriegerischen Händel und Fehden der
vielen kleinen Herrscher verwickelt war.
Die Einführung der Reformation, die manche Kämpfe verur-
sachte, war nur der Beginn einer Folge unerhörter Grausam-
keiten, die sich während des Bauernkrieges 1525 bis zum
Dreißigjährigen Krieg fortsetzten. Landsknechte belagerten
wiederholt die Festung, eroberten sie und plünderten nach
Belieben. Im Verlauf des 30-jährigen Krieges war Lichtenau
häufig betroffen. Franzosen, Schweden, Kroaten und Wei-
marer Truppen hielten Lichtenau nacheinander besetzt,
plünderten, halfen beim Wiederaufbau oder zerstörten die
ganze Stadt. So wurde auch die Wasserburg am Ende des
30-jährigen Krieges zerstört.
Immer wieder bauten die Bewohner ihre Stadt quasi aus
dem Nichts auf; wenn auch primitiv und in der Vorahnung,
dass das Geschaffene nicht von Bestand sein werde. Kaum
eine Generation blieb von der Geißel des Krieges verschont,
und wenn die Bevölkerung dieser Gefahr entronnen war,
kamen nicht selten Seuchen und Hungersnöte. Als 1736 die
Hanau-Lichtenberger, denen der Ort durch Erbfolge inzwi-
schen gehörte, ausstarben, fiel Lichtenau an die Landgrafen
von Hessen-Darmstadt. 1802 wurde die Stadt aufgrund des
Reichshauptdeputationsschlusses dem Großherzogtum Ba-
den zugeschlagen. Es verlor damit zugunsten Rheinbischofs-
heims an Bedeutung. Der Amtmann von Rheinbischofsheim
verfügte, dass die Stadtmauern und Tore niedergelegt wer-
den müssen. 1805 wurde der Abbruch durchgeführt.
Nach den Napoleonischen Kriegen begann wieder eine Epo-
che des Aufbaus. Ein gewisser Wohlstand kehrte bei der Be-
völkerung ein, allerdings nicht für alle. Zwischen 1830 und
1850 wanderten deshalb rund 350 Lichtenauer nach Ame-
rika aus. Bedeutungsvoll war 1892 die Inbetriebnahme der
Lokalbahn Kehl-Lichtenau-Bühl, welche das Städtchen dem
Schienenverkehr anschloss. Handwerk und Gewerbe, die
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