Friedhöfe der Stadt Nordhausen

11 Seit Menschen auf dieser Erde leben, bestatten sie ihre Toten. Viele Hundert Jahre lang war der Tod für unsere Vorfahren ein vertrauter Begleiter, ein Bestandteil ihres Lebens; er wurde akzeptiert und häufig als Erfüllung der letzten Lebensphase emp- funden. Heute ist er für viele angsteinflößend und unfassbar. So gehört das Sterben zu den Themen, die viele Menschen meiden. Friedhöfe und Beerdigungen im Wandel Die Ehrung der Verstorbenen jedoch gehört zu den ältesten kulturhistorischen Überlieferungen aus vor- christlicher und christlicher Zeit. Bestandteil des Umgangs mit dem Leben und dem Tod ist es, diese Verehrung nach außen in Form von Grabstätten zu zeigen. Die Gestaltung der Gräber erfordert natür- lich das Einhalten bestimmter Regeln, um den Fried- hof als einen Ort des Friedens, der Ausgewogenheit und der Geborgenheit erleben zu können. Ein Wandel in der Begräbniskultur dokumentiert sich aber in den immer individueller werdenden Grabstei- nen und dem dazugehörigen Grabschmuck, der ein Zeichen für die Einmaligkeit des Verstorbenen und die Verbundenheit der Hinterbliebenen mit ihm ist. Friedhöfe sind in erster Linie Orte für Bestattungen und damit Ausdruck und Spiegel für den Umgang mit dem Tod innerhalb einer Gesellschaft. Die Stät- ten der letzten Ruhe sind aber nicht nur Orte der Trauer, sondern auch solche der Hoffnung, der Pie- tät und der würdigen Stille. Sie sind sogar Orte des Lebens und der Begegnung. Viele Menschen schät- zen sie auch als grüne Erholungsräume und kultu­ relle Kleinode. Das Wort „Friedhof“ bezeichnete früher einen ein- gefriedeten Raum um eine Kirche, in dem Verfolgte Schutz – also „Frieden“ – fanden. Heute ist er eine Stätte des Gedenkens und der Erinnerung, aber auch ein Treffpunkt für die Bevölkerung der Stadt Nordhausen. Unsere Friedhöfe verbinden das Not- wendige mit dem Nützlichen, die materielle mit der geistigen Welt. Hier vollziehen sich Begegnungen zwischen Trauernden und Spaziergängern. Gefühle werden ausgetauscht und menschliche Wärme ver- mittelt. Der Friedhof ist ein Treffpunkt für die Bevöl- kerung der Stadt oder eines Ortsteils. Auch ein Teil der Stadtgeschichte wird hier lebendig. Friedhöfe erzählen von den letzten Ruhestätten bekannter Familien und Persönlichkeiten. Grabmale Asche verweht, Steine erinnern – ein alter Friedhof, vor etwa 60 Jahren fluchtartig verlassen von den Menschen, die einst hier lebten. Das Gras steht kniehoch, Bäume und Büsche sind zu einem dich- ten Dschungel verwachsen. Bodendecker haben die Wege zum Verschwinden gebracht. Einzelne Grabsteine sind schräg in den Boden eingesunken, einige umgestürzt. Trotzdem kommen immer wieder Besucher hierher, die sich noch an die Menschen erinnern, denen hier ein Grabmal gesetzt wurde. Der Blick auf diesen verlassenen Friedhof zeigt, wel- che elementare Bedeutung das Grabmal in unserer Kultur als letztes Denkmal für einen geliebten Men- schen hat. Und auch, wenn „das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, in den Herzen der Mitmenschen steht (Albert Schweitzer)“, ist das Grabdenkmal eine Ehrung des Verstorbenen. Auf Friedhöfen in Südfrankreich finden Besucher oft Gegenstände, die eine Verbindung zum Leben des Verstorbenen haben. So stehen zum Beispiel Tanz- schuhe auf dem Grabsims einer leidenschaftlichen Tänzerin oder ein Siegerpokal thront auf dem Grab- stein eines erfolgreichen Sportlers. Der Grund dafür ist sehr einleuchtend: Der Tod ist kein Abschied, sondern der Anfang der Erinnerung. Das Grab dient nicht nur dem Zweck, den Verstor- benen zu ehren, es ist auch ein wichtiger Teil der Trauerarbeit und später ein Ort der inneren Zwie- sprache mit einem geliebten Menschen. Inso- Auch das Sterben gehört zum Leben

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