Seite 7 - Regensburg - Im Spiegel der Zeit

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ieses Zitat von Hans von Keler
scheint speziell für Regensburg
geschrieben zu sein. Wo immer in der
Stadt Archäologen ihre Ausgrabungen
tätigen, stoßen sie auf die Fundamen­
te früherer Generationen. An kaum
einem anderen Ort lässt sich diese
„Schichtung der Geschichte“ besser
nachvollziehen als in Regensburg, zum
Beispiel im „document Neupfarrplatz“,
wo die Besucher von den Bunkeran­
lagen des Zweiten Weltkriegs in die
Kellergewölbe des jüdischen Viertels
aus dem 16. Jahrhundert hinabsteigen,
oder im „document Niedermünster“,
wo der Weg noch tiefer in die Vergan­
genheit führt, bis zur alten Pfalzkapelle
der bajuwarischen Fürsten und zu den
Grundmauern der Römer. Hier lassen
sich die Schichten der Geschichte mit
allen Sinnen erfahren. Hier atmen die
Steine noch etwas vom Leben vergan­
gener Jahrhunderte aus, und wenn
man vor dem Grab des hl. Erhard steht,
in dem seit mehr als 1.000 Jahren sei­
ne Gebeine ruhen, überfällt einen ein
leichter Schauer. Regensburg ist die
einzige noch erhaltene mittelalterliche
Großstadt, hier lässt sich Geschichte mit
eigenen Augen sehen und anfassen,
sie wird im wahrsten Sinne des Wortes
„begreifbar“. So fällt es nicht schwer,
sich einfach durch die Historie treiben
zu lassen, wie auf einer Reise mit unbe­
stimmtem Ziel. Damit ist „Regensburg
im Spiegel der Zeit“ der Versuch eines
Reiseberichts über die erstaunlichen
Wege durch die Vergangenheit.
Regensburg ist ein Weltkulturerbe mit
knapp 1.000 Einzeldenkmälern, doch
das alleine ist es nicht, was eine Chronik
über Regensburg zu einem Abenteuer
macht, denn der Titel könnte auch lau­
ten „Regensburg ALS Spiegel der Zeit“.
Denn in Regensburg verdichteten sich
die Machtkonflikte und gesellschaftli­
chen Gegensätze des Heiligen Römi­
schen Reichs Deutscher Nation wie in
einem Brennglas auf engstem Raum
und die Ereignisse in der Stadt standen
immer auch im Zusammenhang mit
den großen Ereignissen der deutschen
und europäischen Geschichte. Beson­
ders augenfällig wurde das nach der
Reformation. Der protestantische Rat
der Stadt herrschte nur über einen
Teil des Stadtgebietes. Sowohl der Bi­
schof als auch der bayerische Herzog
übten souveräne Rechte über ihre
Besitztümer innerhalb der Stadtmau­
ern aus. So bildeten sich Haustür an
Haustür zwei verschiedene, komplette
Kirchenwesen heraus, die auf engstem
Raum friedlich miteinander auskom­
men mussten.
Der große Glanz der Stadt ging im
Hochmittelalter aber von den Kauf­
leuten aus, die auf allen großen Märk­
ten der damaligen Welt von Kiew bis
Flandern Handel trieben. Der Erfolg
einer Stadt hängt eben wesentlich vom
Geschick ihrer Unternehmer ab und die
Regensburger mussten schmerzlich
erfahren, wie schnell der Niedergang
droht, wenn die Struktur der Wirtschaft
nicht stimmt. Sie haben aber daraus
auch gelernt, wie die jüngere Geschich­
te zeigt. „Regensburg im Spiegel der
Zeit“ rückt deshalb auch das Engage­
ment und die Kreativität traditionsrei­
cher und junger Unternehmen, die die
Stadtgeschichte mitgeprägt haben, in
den Vordergrund.
„Das Beste, was wir von der Geschichte
haben, ist der Enthusiasmus, den sie
erregt“, so drückte es Johann Wolfgang
von Goethe aus. Dieser Enthusiasmus
entsteht vor allem aus der Vorstel­
lungskraft von den Abenteuern, die
mit den Geschichten der Geschichte
einhergehen. Die vorliegende Chronik
ist der Versuch, diese Vorstellungskraft
anzuregen.
Mein besonderer Dank gilt an dieser
Stelle der Diözese Regensburg und
Martin Braun, die es mir ermöglicht
haben, das „document Niedermüns­
ter“ allein und in aller Ruhe zu erkun­
den und zu erfahren. Zu danken habe
ich auch dem Historischen Museum
Regensburg – insbesondere Dr. Peter
Germann­Bauer – und Peter Ferstl
von der Bilddokumentationsstelle der
Stadt für die Unterstützung bei der
Bebilderung der Chronik. Ein Dank
auch an alle Unternehmen, die an
dieser Chronik mitgewirkt haben, und
an jene, die trotz mancher Hindernis­
se das Gelingen des Projekts immer
wieder vorangetrieben haben.
Ralf Christian Tautz
Vorwort des Autors
Vorwort des Autors
„Geschichte ist nicht nur Geschehenes, sondern Geschichtetes – also der Boden, auf demwir stehen und bauen.“