Seite 10 - chronik_neuwied_leseprobe

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Neuwied im Spiegel der Zeit
mit jeweils 500 Mann Stärke genutzt.
Ende des 2. Jahrhunderts wurde es
durch das Kastell Niederbieber ersetzt.
Ob nach dem Bau der Niederbieberer
Anlage die Heddesdorfer noch weiter
genutzt wurde, ist nach derzeitigem
Forschungsstand ungeklärt. Heute ist
vom Heddesdorfer Kastell nur noch
ein Mauerfragment erhalten.
Zum Heddesdorfer wie zum Nieder-
bieberer Kastell gehörten ein Kastell-
bad und ein sogenannter „Vicus“ –
eine Zivilsiedlung, in der sich ent-
lassene Militärs, Angehörige der
Soldaten sowie Handwerker, Händler
und Dienstleister niederließen. Bad
wie Vicus lagen beim Kastell Heddes-
dorf wie bei den Römern üblich au-
ßerhalb der eigentlichen militärischen
Anlage. Im Kastell Niederbieber war
das außergewöhnlich große und
aufwändig gestaltete Bad allerdings in
das Hinterlager integriert.
Nachdem die Alemannen und Fran-
ken im Jahr 260 den Limes überwun-
den und den Rhein erreicht hatten,
zogen sich die Römer auf die linke
Rheinseite zurück. Allerdings benö-
tigten sie zur Sicherung der Getreide-
zufuhr und des Nachschubs für die
Grenztruppen auch rechtsrheinisch
noch einzelne befestigte Militär-
anlagen. Dabei handelte es sich um so-
genannte „Ländeburgi“: zweistöckige,
rechteckige Wachtürme (im Durch-
schnitt acht bis zwölf Meter breit, zehn
bis zwölf Meter hoch), die als „Rest-
kastelle“ und Getreidespeicher genutzt
wurden und auch dazu dienten, die
Handels- und Schi fahrtsrouten zu
schützen. Ein solches Ländeburgus
gab es auch im heutigen Stadtteil
Engers. Es wurde in der zweiten Häl e
des 4. Jahrhunderts erbaut und hatte
bis zum endgültigen Zusammenbruch
des römischen Imperiums im ersten
Drittel des 5. Jahrhunderts Bestand.
Heute ist es vollständig überbaut.
Das Militärlager von Niederbieber
wurde zur Regierungszeit des Kaisers
Commodus (180–192), vermutlich
um oder kurz nach 185 errichtet. Die
Germanen attackierten zu dieser Zeit
immer häu ger römische Einrichtun-
gen, die Römer mussten ihre Vertei-
digungsanlagen am Limes verstärken.
Mit rund 5,25 Hektar war das Kastell
Niederbieber fast doppelt so groß
wie die Vorgängeranlage in Heddes-
dorf und von einer noch mächtige-
ren Mauer mit noch imposanteren
Türmen umgeben – und damit das
größte, am stärksten befestigte und
bedeutendste Auxiliarkastell des
nördlichen Limesabschnitts. Es wur-
de wohl bis zum Jahr 260 genutzt.
Das Kastell Niederbieber zählt zu
den besterforschten römischen
Militärlagern am Obergermanischen
Limes. Die Anlage ist heute allerdings
größtenteils überbaut, nur einige
Grundmauern sind konserviert und
teilrekonstruiert.
Der vom Archäologen Heinrich Jacobi entdeckte Schutthügel des
Steinturms befand sich im Kastell Niederbieber rund 26 Meter hinter
demWall- und 33 Meter hinter dem Palisadengraben des Limes.
Ein Modell des Kastells Niederbieber, das eines der größten
und bedeutendsten seiner Zeit war.
Die konservierten
und rekonstruier-
ten Grundmauern
des Kastellbads von
Niederbieber, das
nicht nur eines der
größten seiner Zeit
war, sondern eine
weitere Besonder-
heit aufweist: Es lag
nicht außerhalb des
Militärlagers,
sondern war in das
Kastell integriert.