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55 vor Christus – Mit Caesars Rheinbrücke beginnt die Römerzeit
I
n Neuwied gelang den Römern
der Au ruch zu neuen Ufern – im
wahrsten Sinne des Wortes, aber auch
im übertragenen: Das römische Welt-
bild im ersten Jahrhundert vor Chris-
tus sah im Rhein eine Art Grenze der
zivilisierten Welt. Durch Caesars erste
Rheinüberquerung erweiterten die
Römer militärisch ihr Reich und auch
ihren Horizont. Lange Zeit ging man
davon aus, dass diese erste Rhein-
querung wenige Kilometer südlich
von Bonn stattfand, doch der jüngste
Stand der Forschung ist: Caesar über-
schritt den Rhein auf dem heutigen
Neuwieder Stadtgebiet.
Der „Gallische Krieg“, in dem Julius
Caesar fast ganz Westeuropa erobert
hatte, war eigentlich schon beendet –
doch der Feldherr wollte auch den
rechtsrheinischen Germanen-
stämmen seine Macht beweisen.
Eine Überquerung des Flusses mit
Schi en erschien Caesar wohl zu ge-
fährlich. Die hölzerne Pionierbrücke,
die Caesar in Neuwied errichten
ließ, um gegen die Germanen auf
der anderen Seite des Stroms zu
kämpfen, war ein Meisterwerk der
Ingenieurskunst. Sie wurde in nur
zehn Tagen errichtet, war rund 400
Meter lang und überspannte den
Rhein in einem Bereich, wo er bis
zu sechs Meter tief war. Bereits 1885
wurden im Rhein bei Neuwied mit
einem Bagger Eichenpfähle aus dem
Fluss geborgen, deren Alter auf Mitte
des 1. Jahrhunderts v. Chr. bestimmt
werden konnte. Heute gilt als ge-
sichert, dass sie zum Bau der ersten
Rheinbrücke genutzt wurden.
Das neueWeltbild
der erstenWeltmacht
Das heutige Stadtgebiet von Neuwied war spätestens seit keltischer
und römischer Zeit dauerhaft besiedelt. Julius Caesar schrieb auch in
Neuwied Geschichte: Hier überquerte er mit seinen Truppen erst-
mals den Rhein. Um das Jahr 55 vor Christus ließ er in wenigen Tagen
eine Pionierbrücke bauen, deren rechtsrheinischer Brückenkopf
auf Neuwieder Gebiet lag. In den folgenden Jahrhunderten wurden
bedeutende militärische Anlagen der Römer in Heddesdorf,
Niederbieber und Engers errichtet.
So könnte Caesars erste Rheinbrücke bei Neuwied nach den Vorstellungen von John Soane
ausgesehen haben. Die Zeichnung des britischen Architekten stammt aus dem Jahr 1814.
Die technische Meisterleistung war
für Caesar innen- wie außenpolitisch
ein großer Erfolg: Sein Ansehen in
Rom stieg weiter, die Germanen
waren so erschrocken, dass sie ihre
Dörfer verließen und in die Wälder
üchteten. Nach nur 18 Tagen im
Feindesland und der Zerstörung eini-
ger Dörfer gab Caesar den Befehl zum
Rückzug über den Rhein. Die Brücke
wurde danach sofort wieder zerstört.
Rund 300 Jahre lang blieb das rechte
Rheinufer nach Caesars histori-
schem Brückenbau im römischen
Herrscha sbereich. Entscheidender
Faktor bei der Grenzsicherung gegen-
über den Germanen war der Bau des
Limes. Zahlreiche militärische An-
lagen wurden entlang des mächtigen
Grenzwalls errichtet – auch auf dem
heutigen Neuwieder Stadtgebiet.
Bereits im 18. Jahrhundert fanden
erste Ausgrabungen statt, bei denen
Funde aus der Römerzeit geborgen
wurden: in Niederbieber ab 1759, in
Heddesdorf ab 1791.
Die älteste römische Militäranlage
auf Neuwieder Gebiet ist das Kastell
Heddesdorf, das in den 80er- oder
90er-Jahren des ersten nachchrist-
lichen Jahrhunderts erbaut wurde.
Das Stein-Kastell war rund 160 mal
180 Meter groß und bedeckte eine
Fläche von rund 2,8 Hektar. Es war
von einer Wehrmauer umgeben, die
vier Tore hatte, und durch Wach-
türme und einen bis zu acht Meter
breiten und 2,65 Meter tiefen Graben
geschützt. Das Kastell Heddesdorf
wurde zunächst nur von Fußtruppen
und später dann von einem gemisch-
ten Infanterie-/Kavallerieverband
So könnte der Bur-
gus von Engers aus-
gesehen haben –
nach Hans-Helmut
Wegner.
Ausgrabungen in
den Thermen des
Kastells Heddesdorf
im Jahr 1898