Seite 49 - Blickpunkt Landkreis Tuttlingen

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EineVielzahl
individueller Lebensentwürfe.
Erfolgreiche Unternehmer, ehrgeizige Mitarbeiter, Frauen und
­Männer, die in Familie und Verein, Ehrenamt und Lehramt die Wer te
des guten Miteinanders an die nachwachsende Generation weiter-
geben. Gemeinschaftsgeist gepaar t mit Idealismus, Kompetenz und
Kreativität, Leistungswillen und Überzeugungskraft. Eigenschaften, die
junge Menschen in unserer Gesellschaft oft vermissen. An solchen
Vorbildern ist in unserer Region kein Mangel. Ganz im Gegenteil.
Die unverwechselbare Identität unseres Landkreises erwächst aus
einer Vielzahl individueller Lebensentwürfe.
„Hartgesottene“ seien die Menschen zwischen Donau und Heuberg!
So hat schon mein Großvater über die Tuttlinger geredet. „Hartgesotte-
ne“ – also keine „Weicheier“, vielmehr Menschen, die es gewohnt sind,
dem Leben etwas abzuringen, Menschen, die wissen, dass ihnen das
Glück nicht in den Schoß fällt, sondern ihrer täglichen Anstrengung und
Mühsal entspringt.
Das mag an den kargen Böden liegen, am rauen Klima, an den steinigen
Äckern, es mag auch an der wechselvollen Geschichte liegen, die oft das
Wenige hinweggefegt hat, das mühsam erwirtschaftet wurde. Auf jeden Fall
ist dadurch ein Menschenschlag geprägt worden, der um Glück, Fortschritt
undWohlstand hart arbeitete und sich wenig gönnte.
Mit Fleiß, Ideenreichtum und ungeheurer Schaffenskraft gründete man in
den Souterrains kleine Betriebe, die zum Teil unglaubliche Entwicklungen
vollbrachten und denen es gelang, sich in Krisen zu halten. Das hat den
Menschen hier einen gewissen Wohlstand gebracht. Die protestantische
Arbeitsmoral verhinderte aber lange, dass das Geld für Genuss, Spaß
oder gar Spiel ausgegeben wurde, selbst Kulturelles stand nicht hoch
im Kurs. Dass Geld nicht „verplempert“ werden darf, wurde schon den
Kindern eingeimpft.
Inzwischen hat man gelernt, sich etwas zu gönnen und das Leben zu genie-
ßen. Neben der Arbeit haben Freizeit, Kultur und Lebenslust zu Recht ihren
festen Platz gefunden, denn die „Hartgesottenen“ waren und sind in Gefahr,
dass die Arbeit für sie zum Moloch wird, der alle Lebensfreude frisst.
In Zukunft wird es darum gehen, sich die Zähigkeit und Unerschrocken-
heit unserer Vorfahren zu bewahren oder neu zu entdecken und gleich-
zeitig die schönen Seiten des Lebens nicht aus dem Blick zu verlieren.
Unser Leben verdanken wir Gott, er hat es uns geschenkt, dass wir es
genießen und mit Mut, Fleiß und Anstrengung etwas daraus machen.
Pfarrer Matthias Kohler,
Tuttlingen
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Instrumentenmacher mit Lehrling, Plastik von Roland Martin,Tuttlingen