Schule und was dann? Der richtige Weg in den Beruf 2019/2020 - Frankfurt am Main (Auflage 25)

08 DER WEG IN DEN BERUF AKADEMISCHE VERSUS BERUFLICHE BILDUNG AKADEMISCHE VERSUS BERUFLICHE BILDUNG – MIT VORURTEILEN AUFRÄUMEN! Heute hat mehr als jeder fünfte Erwerbs- tätige (22 %) zuvor an einer Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie stu- diert. Der ungebremste Trend zur Akade- misierung sorgt jedes Jahr für viele neue Jungakademiker auf dem Arbeitsmarkt: Seit 2007 kletterte der Akademikeranteil unter den Erwerbstätigen um 13 Prozentpunkte. Laut Statistischem Bundesamt haben 2017 rund 502.000 Studierende ihre akademische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen – ein neuer Rekord. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Plus von rund zwei Prozent. Vor dem Hintergrund hoher Stu- dienanfängerzahlen (rund 509.000 Neuim- matrikulationen im Studienjahr 2017/18) dürfte die Zahl der Berufsanfänger mit aka- demischem Abschluss auch in den nächsten Jahren weiter deutlich wachsen, bevor sie infolge der demografischen Entwicklung zurückgehen wird. Warum sich so viele Menschen für ein Hochschulstudium und nicht für eine berufliche Ausbildung entscheiden, beruht unter anderem auf einem Gesellschaftsbild, das nicht zuletzt durch die Politik vermittelt wurde: Das Abitur wird mittlerweile vielfach als „Mindestabschluss“ einer schulischen Qualifikation angesehen. Daraus resultiert bei Jugendlichen der Trugschluss, dass nur das Abitur optimal auf eine erfolgreiche Berufstätigkeit vorbereitet. Des Weiteren wird das Bild vermittelt, dass Akademi- ker mehr verdienen als Nichtakademiker, dass das Arbeitslosenrisiko geringer ist und Akademiker schlicht die „besseren Jobs“ haben. Doch stimmen diese (Vor-)Urteile tatsächlich? STIMMT ES EIGENTLICH, DASS AKADEMIKER MEHR VERDIENEN ALS NICHTAKADEMIKER? Vergleicht man Gehälter von Akademi- kern und Nicht-Akademikern, kommt man schnell auf den Vergleich des Lebens- einkommens: Einer aktuellen Studie des Münchener ifo-Instituts (2017) zufolge ver- dienen Akademiker, die ein Universitätsstu- dium im ersten Bildungsweg abgeschlossen haben, in ihrem gesamten Erwerbsleben durchschnittlich 390.000 Euro netto und damit 65 Prozent mehr als jemand mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Jedoch gibt es in der Gruppe der Akade- miker erhebliche Unterschiede: Darf ein Elektroingenieur mit einem durchschnitt- lichen Einstiegsgehalt von ca. 4.500 Euro rechnen, so hat ein Architekt zu Beginn sei- nes Arbeitslebens durchschnittlich lediglich 2.540 Euro zur Verfügung. Absolventen der Sozialpädagogik oder der Geisteswissen- schaften müssen beim Gehalt meist noch größere Abstriche machen. Demgegenüber ist das Einstiegsgehalt von ausgebildeten Fachkräften oft höher, als man vielleicht meint: Kaufleute für Versi- cherung und Finanzen können nach ihrer Berufsausbildung mit einem Gehalt von bis zu 2.700 Euro brutto rechnen. Arbeits- kräfte in der Industrie sind sehr gefragt: Ein ausgelernter Industriemechaniker wird mit ca. 2.500 Euro brutto monatlich entlohnt. Wird später noch eine betrieb- liche Weiterbildung, wie beispielsweise zum Industriemeister absolviert, werden sogar Monatsgehälter in Höhe von bis zu 4.400 Euro brutto erzielt. Das klassische Vorurteil, dass Akademiker grundsätz- lich mehr verdienen als Nichtakademiker, stimmt also nur bedingt. Der insgesamt höhere Gehaltsdurchschnitt wird bei den akademisch Qualifizierten insbesondere durch Ärzte und Ingenieure angehoben, während andere Berufe deutlich darunter rangieren. Eine berufliche Ausbildung kann also lukrativer sein als ein jahrelanges Stu- dium – insbesondere dann, wenn Absolven- ten durch die zunehmende Akademisierung immer häufiger dazu gezwungen sind, mit unterqualifizierten und somit schlechter bezahlten Jobs ins Erwerbsleben einzu- steigen. Perspektivisch dürfte sich sogar das Einkommensgefüge insgesamt zuguns- ten der beruflich Gebildeten verschieben, wenn der Trend zur Akademisierung wei- terhin anhält: Bis Ende des Jahres 2020 werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt rund 1,3 Mio. MINT-Facharbeiter fehlen – aber nur 67.000 MINT-Akademiker (vgl. IW 2015)! © pixabay.com

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