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Paderborns größter Reichtum
Wer über Paderborn reden will, muss über das
Wasser reden. Der Fluss, der in ihrer Mitte ent-
springt, hat der Stadt den Namen gegeben. Nach
nur vier Kilometern mündet die Pader in die
Lippe, was ihr den merkwürdigen Superlativ vom
„kürzesten Fluss Deutschlands“ eingebracht hat.
Immer war die Pader für die Paderborner mehr als
nur ein Gewässer (vgl. 1968).
A
ls Karl der Große 777 seine
Karlsburg gründete, wählte er
dafür einen festen, trockenen Ort am
Rande eines Steilabhangs. Am Fuß
des Hangs quoll Wasser in großen
Mengen aus dem Boden und speiste
eine ausgedehnte Sumpflandschaft.
Wie zu Karls Zeiten strömen auch
heute noch etwa 5.000 Liter Wasser
in jeder Sekunde aus den mehr als
200 Quellen. Damit zählen die Pader-
quellen zu den größten Quellbecken
Europas. Die Gründe dafür, warum
das Wasser an dieser Stelle so reich-
lich aus dem Boden quillt, sind seit
Karls Zeiten die gleichen geblieben.
Wenn es südlich der Stadt regnet,
versickert das Wasser im durchläs-
sigen Karst der Paderborner Hoch-
fläche und fließt unterirdisch berg-
ab nach Paderborn. Dort hindert
ein über dem Kalkstein liegender
Keil aus wasserundurchlässigem
Emscher-Mergel den Weiterfluss.
Zwei, höchstens vier Tage nach
einem Regen auf der Paderborner
Hochfläche tritt das Regenwasser
in den Quellbecken zu Tage.
Dieses geologische Phänomen hat
zu allen Zeiten die Menschen beein-
druckt. Die Pader ist mehr als ein
Gewässer. Sie hat den mythischen
Stoff für das Heimatgefühl der
Paderborner geliefert. „Denn ich
kenne keinen lieblicheren Anblick als
den der drei Quellen, welche mitten
in der Stadt ... entspringen und als-
bald mit einer solchen Wassermen-
ge hervorbrechen, das sie zu mächti-
gen Bächen anschwellen...“, schrieb
der Jesuit Horrion am Anfang des 16.
Jahrhunderts, um darüber in poeti-
sche Schwärmereien auszubrechen:
„Wie anmutig sind die Quellbäche, so
lange sie getrennt fließen! Wie anmu-
tig gleiten sie vereinigt dahin!“
Auch nüchterne Paderborner lieben
das sinnliche Ereignis, das die Pader
in den vielen Bachläufen der Altstadt
veranstaltet. Überall gluckert, strömt
und rauscht das Wasser. Kein Wun-
der, dass solch allgegenwärtigen Na-
turphänomenen magische Kräfte zu-
geschrieben werden. Immer wieder
lasen die Paderborner aus ihrem Fluss
ab. 1604, als die Eroberung durch
Fürstbischof Dietrich von Fürsten-
berg drohte, häuften sich diese Vo-
raussagen. „Wie Schwefel, Blut und
Feuer gefärbt, schimmerte, sprudelte
und blitzte das Wasser, ein Grausen
erregendes Vorzeichen“, notierten die
Jesuiten in ihren Annalen.
Im wirklichen Leben lieferte die Pader
bis ins 20. Jahrhundert Trinkwasser
und Energie. Das Wasser der Pader
galt lange als von vorzüglicher Quali-
tät und als hervorragender Rohstoff
für zwei wichtige Paderborner Ex-
portartikel: Brot und Bier. Fürstbi-
schof Ferdinand von Fürstenberg
verstieg sich sogar zu dem Urteil,
Paderborn braue das wunderbarste
Bier. Tatsache ist, dass jeder Pader-
borner Bürger ein Braurecht hatte.
Im Jahr 1618 wurden in der Stadt
mehrere hundert bierbrauende Bür-
ger gezählt, 1831 waren es immer
noch 27 Hausbrauereien innerhalb
der Stadtmauern.
Auf wenigen hundert Metern ent-
wickelt das rasch strömende Wasser
in den Paderarmen eine große Kraft,
die die Paderborner wirtschaftlich
nutzten. Schon im Mittelalter gab es
nicht nur die Kornmühlen, auch die
Lohmühlen der Lohgerber, die ihre
Tierhäute an der Pader bearbeiteten,
die Walkmühlen der Tuchmacher,
die Harnischmühlen der Schmiede,
die Ölmühlen der Ölschläger und die
Sägemühlen. 1402 drehten sich 20
Mühlräder an der Pader, 1811 waren
es immer noch sechs Mühlen inner-
halb der Stadtmauern.
Sogar heilende Wirkung schrieb
man dem Paderwasser zu. Auf der
„Benediktinerinsel“ im Nordwesten
der Stadt entsprangen sechs Quellen,
die schon vor vierhundert Jahren zu
Heilzwecken genutzt wurden. Das
Wasser der Ottilienquelle wurde bis
1965 in Flaschen abgefüllt.
Heute dient die Pader vor allem der
Freizeitgestaltung der Paderborner.
In der 1945 zerstörten Innenstadt standen die Häuser viel näher an
den Paderarmen und Quellbecken. Ansicht am Rothoborn, rechts
Haus Nr. 3 (Lautenschütz, früher St. Johannisstift) um 1930.
Foto: Stadtarchiv Paderborn