Bürgerinformationsbroschüre Saulheim

und Bestrafungen der Missetäter durch den vereidigten Gerichts- schreiber oder durch den Ortsbüttel zur Kenntnis gebracht. Bei schlechtemWetter, besonders imWinter, erfolgte die Verlesung in den unteren Räumen des Rathauses, der ehemals offenen Halle. An der Westseite des Gebäudes stand ehemals der Pranger, der an den meisten Rat- häusern des Mittelalters nicht fehlen durfte. Am Eingang zum Rathausturm befand sich das Gefängnis (Betzenkammer oder Bolles genannt). Heute befindet sich der Ratssaal im Erdgeschoss. Der obere Stock beherbergt das Sekretariat, das Büro der Beigeordneten und das Büro des Bürgermeisters. Hier findet sich eine Besonderheit: An der Decke prangt ein Ölgemälde der Germania von 1897. Mit ihrem schwarz gelockten Haar, geschmückt mit einer Krone und dem Lorbeerkranz in der Hand, ist sie das Sinnbild für Kaiser, Reich und Vaterland. Im Zuge der grundlegenden Sanierung der Räumlich- keiten im Jahr 2010 wurde das Deckenfresko aufwändig restauriert. Der Platz rund um das Rathaus und die Kirchen Zwischen dem historischen Rathaus und zwei neugotischen Kirchen befindet sich der „Römer“ (vor 1830: Marktplatz). Der Name„Römer“ ist eine Nachahmung des Rathausplatzes in Frankfurt am Main. Um den„Römer” begegnet man immer wieder der bedeutenden Zahl „Sieben“: Sieben Straßen grenzen an den Römer (Neue-Pforte, Spitalgasse, Glockengasse, Ostergasse, Heileckergasse, Weedengasse, und Pfarrgasse), beide Kirchen haben gemeinsam sieben Glocken. Auch die alte Simultankirche, die 1848 niedergelegt wurde, hatte sieben Glocken und sieben Altäre. Außerdem wurde Nieder-Saulheim von sieben Ganerben regiert. In der Bibel wird die Zahl mit Vollendung, Erfüllung und Perfektion gleichgesetzt. Die Dorfmühle Die alte Dorfmühle wurde erstmals 1409 erwähnt. Sie wurde vom Mühlbach und dem Mühlenteich gespeist. Die Mühle war im Besitz des Zisterzienser-Klosters Eberbach, bevor sie an die Freiherren von Wallbrunn überging und 1805 von Müllermeister Braun ersteigert wurde. Gabriel Schumacher erwarb sie im Jahr 1912, ein Jahr später verschenkte er nach einem persönlichen Schicksalsschlag das Wasserrecht an die bürgerliche Gemeinde Nieder-Saulheim. Die nachfolgenden Generationen bauten die Mühle zu einer modernen Großmühle mit Gasmotoren-Antrieb aus. Um Platz für einen Wohnpark zu schaffen, wurde die gesamte Mühle im Jahr 2000 abgerissen. Das „Alte Haus“ Man weiß wenig über die Bewohner des elf Meter langen und sieben Meter breiten zweistöckigen Gebäudes. Den ersten Beleg findet man in einer Urkunde aus dem Jahr 1354 über eine Schenkung an das Zisterzienser-Kloster Eberbach im Rheingau. Es ist anzunehmen, dass es sich ursprünglich um einen fränkischen Hof aus dem frühen 14. Jahrhundert handelt, der um 1540 nach oben erweitert wurde. Da das Haus aus Stein gebaut ist, ist außerdem davon auszugehen, dass der Erbauer wohlhabend gewesen sein muss. Im Flur des Hauses befindet sich eine Falltür. Sie bildet den Zugang zu einem unterirdischen Gang, der es den Bewohnern in Kriegszeiten oder bei einem feindlichen Überfall ermöglichte schnell zu flüchten. Er verlief vom Alten Haus zur Alten Schule, zur Wehrkirche und zur nahe- gelegenen Burg. Um 1717 ging der Hof an die Nieder-Saulheimer Ganerben von Wallbrunn. Nach der französischen Revolution wurden alle adeligen Besitzungen versteigert, darunter auch das „Alte Haus“. Wer das Anwesen ersteigert hat muss noch erforscht werden. Nachgewiesen ist, dass eine Familie Loos das Haus um 1840 bewohnte, allerdings ist nicht überliefert ab wann und für wie lange. In späteren Jahren war der Hof im Besitz der Familien Harth und Frenz. Der Hof wurde bis 1957 bis 2012 als landwirtschaftlicher Mischbetrieb bewirt- schaftet, bevor ihn der jetzige Besitzer Dr. Kelm übernahm. 24 Kultur, Freizeit & Tourismus

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