Informationsbroschüre Vetschau/Spreewald

28 „links liegen ließ“. Die Turmruine ragte lange über den 30-jährigen Krieg hinaus gen Himmel. Um 1650 – nach Ende des Krieges – wurde auf den alten Fundamenten eine flachdeckige Backsteinkirche ein- fachster Ausführung errichtet, an deren nördlicher Außenwand sich die gräfliche Kapelle derer von Schlieben befand. Sie diente der deutschen Minderheit als „Deutsche Kapelle“. Mit der Verdrängung derer von Schlieben aus der Vetschauer Schlossherrschaft durch die inzwischen Merseburgischen Landesherren (seit dem Prager Separatfrieden 1635) fiel auch deren Kapelle 1689 und wurde befehlsgemäß ab 1690 durch eine „ordentliche Deutsche Kirche“ in prächtigem spätbarocken Stil ersetzt. Damit war die bisherige bescheidene Kirche ausschließlich der wendischen Bevölkerung der umliegenden Dörfer als ihre Kirche zugewiesen – in der Deutschen hatten sie fortan nichts zu suchen. Der bis dahin immer noch wüst stehende Turm bekam im Jahre 1709 sein heutiges Aussehen: Auf die instand gesetzte Turmruine wurde ein Fachwerkachteck (Oktogon) aufgesetzt mit Haube, Laterne und selte- ner Turmbekrönung (Stern von Bethlehem über liegendem Halbmond), einem Zeugnis der Zeitgeschichte. Seine endgültige Gestalt erhielt der Zwilling mit dem Innenumbau der Wendischen Kirche ab 1855. Die bis dahin flache Decke wurde durch Holztonnengewölbe ersetzt, und durchgezogene Doppelemporen schufen den nötigen Platz für die angewachsene Bevölkerung des wen- dischen Kirchspiels. Im Zuge des Innenumbaus der Wendischen Kirche im Neo-Stil jener Zeit kam die wendische Gemeinde 1859 in den Besitz ihrer ersten Orgel, einem frühromantischen Werk mechanischer Traktur des Orgelbauers Kaltschmidt aus Stettin in Pommern. Vierzig Jahre danach erhielt die Deutsche Kirche als Stiftung von Frau Griebenow ihre zweite Orgel, ein spätromantisches Werk pneumatischer Traktur der Orgelbauer Schlag & Söhne aus Schweidnitz in Schlesien. Auch an der Geschichte dieses „Zwillings“ – zwei Dächer, zwei Sprachen, eine Konfession – lässt sich die offizielle staatlich-kirchliche Wendenpolitik der Vergangenheit (Thron und Altar) ablesen. Wurden zunächst die Deutschen von den Wenden separiert in einem demonstrativ präch- tigen Gebäude, wurde dazu parallel in folgenden vielen Jahrzehnten den Wenden ihre Sprache und Eigenart nicht zuletzt durch eine schleichende Diskriminierung abgewöhnt und aberzogen. Resigniert stellte der letzte wendische Pfarrer von Vetschau die Gottesdienste in wendischer Sprache im Jahre 1932 ein. Von da an war Deutsch die Gottesdienstsprache in beiden Kirchen, wenn auch die Dörfergemeinde und die Stadtgemeinde ihre jeweils eigenen Kirchen benutzten. Die sozialistischen Zeitläufte mit ihrer Die Schlossremise mit Tourist-Information Das ehemalige Stall- und Wirtschaftsgebäude ist Teil des Vetschauer Schlossensembles und wurde 2015 aufwendig saniert und bietet seit- dem dem Besucher eine Tourist-Information mit Auskünften zu allen Angeboten in Vetschau und Umgebung. Die Mitarbeiter vor Ort helfen Ihnen gern weiter: Flyer aus Vetschau und dem gesamten Spreewald sowie Tipps für Besichtigungen und Unterkünfte lassen Sie einen sorgenfreien Aufenthalt in Vetschau/Spreewald erleben. Weiterhin können Sie in der Schlossremise die Ausstellung „Geschich- ten vom Heiraten“ besuchen. Sie erzählt aus der Perspektive des Ortes und seiner Bürger von ihren eigenen Hochzeiten, von der Trauung und den Festen, von großen Erwartungen und kleinen Pannen. Kreativ gestaltete Räume, historische Fotografien, Rezepte und Hochzeitsbräu- che lassen Sie in eine Welt voller Wünsche und Träume eintauchen. Eine festlich gedeckte Hochzeitstafel mit Erinnerungsstücken und Erzählungen sowie die bunt gestaltete Tapete des Künstlers André Volkmann im Festsaal sind die Highlights der Ausstellung. Der große Saal und die ausgestattete Küche der Schlossremise bieten außerdem Platz für bis zu 50 Personen. Hochzeiten, Geburtstage, Versammlun- gen oder Seminare können hier veranstaltet werden. Wenn Sie sich für die Nutzung der Räumlichkeiten in der Schlossremise interessieren, kontaktieren Sie die Tourist-Information unter Telefon 035433 777-55 oder per E-Mail: tourismus@vetschau.de. D ie Öffnungszeiten erfahren Sie unter www.vetschau.de/tourismus. Die Wendisch-Deutsche Doppelkirche Vetschau – einst eine von mindestens sechs wendischen Städten der Niederlausitz (mit Luckau, Calau, Drebkau, Beeskow, Storkow) – liegt am Südrand des Spreewaldes im einst wendischen Gebiet. Daher besitzt die Stadt ein in Deutschland einmaliges Bauwerk: einen Kirchen-Zwilling mit einer etwa 800-jährigen Geschichte. Diese begann zu katholischer Zeit, vermutlich im 13. Jahrhundert, mit dem Bau einer Kirche aus den im Boden befindlichen Baustoffen: eiszeitlichen Findlingen und gewachsenem Raseneisenstein. Der Zeit entsprechend war es eine katholische Kirche mit der in Latein gelesenen Messe. In der Reformationszeit – in Brandenburg ab 1540 – lutherisch gewor- den, war die Kirchensprache nunmehr das Wendische. Bei dem alles vernichtenden Stadtbrand im Mai 1619 sank auch die Kirche in Schutt und Asche, während der aus Südost wütende Feuersturm das Schloss Schloss – Wappenzimmer Wendisch-Deutsche Doppelkirche

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