Bürger-Informationsbroschüre der Stadt Waldkappel

Das Textilhandelshaus des Lorentz Goßmann unterhielt im 16. Jahrhundert Beziehungen in ganz Europa. Männer wie Goßmann oder der nach Frankfurt gezogene Jonas Lappe waren dermaßen vermögend, dass die hessischen Landgrafen bei ihnen Geld borgten. Einen wirtschaftlichen Aufschwung brachte der Bau der beiden Eisenbahnlinien Treysa-Leinefelde und Waldkappel-Kassel im Jahre 1879. In diesem Jahr siedelte sich auch eine Zigarrenfabrik in Waldkappel an, in welcher Waldkappeler Bürger neben Landwirtschaft und Handwerk wieder Arbeit und Lohn bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts fanden. Im Jahre 1902 erhielt Waldkappel elektrischen Strom und im Jahre 1908 eine moderne Wasserversorgung. Zwischen den beiden Weltkriegen entwickelte sich der Fremdenverkehr zu einem nicht unbedeutenden Wirtschaftsfaktor. Die „Sommerfrische“ Waldkappel wurde schon damals gern von ruhe- und erholungssuchenden Großstädtern besucht. Mit der Errichtung der Flussbadeanstalt und des Pionierturmes wurden schon sehr früh Einrichtungen für den Feriengast geschaffen. Das jetzige moderne Freibad wurde 1972 in Betrieb genommen. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, 1945, wurde Waldkappel von einer weiteren schweren Katastrophe getroffen. Am 31. März wurde ein auf dem Bahnhof abgestellter Munitionszug von amerikanischen Flugzeugen angegriffen und zur Explosion gebracht. Durch die verheerende Druckwelle wurden nicht nur der gesamte Bahnhof und die angrenzenden Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, sondern auch große Schäden in der Stadt verursacht. Zwei Tage später kam es bei den Kämpfen zwischen den vorrückenden amerikanischen Truppen und den wenigen deutschen Verteidigern erneut zu Verwüstungen und Bränden. Durch die Explosion des Munitionszuges und die sinnlose Verteidigung der Stadt mussten noch viele Einwohner und Soldaten ihr Leben lassen. 17Opfer fanden auf demFriedhof „AmFrauenberge“ ihre letzte Ruhestätte. Durch den Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen stieg die Einwohnerzahl der Stadt stark an. Zur Unterbringung der Neubürger wurde im Wehrfeld eine Siedlung erbaut, in welcher überwiegend katholische Neubürger ein neues Heim fanden. Bei der Errichtung dieser neuen Siedlung hat sich besonders die Katholische Kirche und der Bauorden des belgischen „Speck-Paters“ Werenfried van Straaten (so genannt, weil er in seiner Heimat Speck für hungernde Deutsche gesammelt hatte) verdient gemacht. 1957 wurde dann die St.-Elisabeth-Kirche inmitten der Siedlung imWehrfeld errichtet. Im Bereich des Bahnhofs entstand ein Gewerbegebiet mit mehreren mittelgroßen Betrieben. In den Folgejahren entstand südlich des Stadtkerns ein weiteres großes Neubaugebiet. Von besonderer Bedeutung für die Stadt Waldkappel in der Nachkriegszeit war die Errichtung der Mittelpunktschule. Dem Schulverband Waldkappel gehörten alle Gemeinden des Waldkappeler Raumes an. Die Grund-, Haupt- und Realschule wurde im Herbst 1964 ihrer Bestimmung übergeben. Aufgrund sinkender Schülerzahlen ist die Schule seit 2008 eine reine Grundschule. Bischhausen Bischhausen, an der Wehre gelegen, war über eine lange Zeit ein wichtiger Verwaltungsmittelpunkt. Bischhausen liegt in Nordhessen östlich von Waldkappel im Wehretal. Im Ort treffen sich die Landesstraßen 3439 und 3334. Des Weiteren befindet sich zwischen Waldkappel und Bischhausen die Auffahrt zur Bundesautobahn A 44. Die Nennung eines Ortes Biscofeshusun in einer Güterschenkung der Abtei Hersfeld um 800 ist mit großer Sicherheit auf dies Bischhausen zu beziehen, was durch eine Interpretation der markanten Langstreifenflur gestüzt wird. Diese Streifenflur, die eine planmäßige Gründung verdeutlicht, bezieht auch Kirchhosbach und die Wüstungen Were, Lerchenhosbach und Grubenhosbach mit ein, für die somit ein gleiches Alter anzusetzen ist. Auch in der jüngeren Geschichte bilden die genannten Orte und Wüstungen eine verwaltungsmäßige Einheit und können somit gemeinsam abgehandelt werden. Im 12. Jahrhundert erscheint der Bereich als Besitz der Grafen von Northeim-Boyneburgk, seit dem 14. Jahrhundert dann in der Hand von deren Rechtsnachfolgern, den Herren von Boyneburgk. Der Besitz des Klosters Bursfelde, das in Bischhausen seinen Verwaltungshof (Vogtei) besaß – die heutige Vogteimühle erinnert noch daran –, wurde 1440 an die Boyneburgker abgetreten. Seit 1650 erwarben die hessischen Landgrafen einen Teil des Dorfes, 1803 schließlich das ganze Dorf von den Boyneburgkern. Dies und die dazugehörigen Orte bildeten das Amt Bischhausen; zu seiner Verwaltung wurde 1690 das Amtsgericht eingerichtet. Es wurde in dem 1580 erbauten und heute noch bestehenden Fachwerkhaus untergebracht. Die Bischhäuser Kirche, die in den Fundamenten auf einen romanischen Bau zurückgeht, ist im Lauf der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und erweitert worden. Grabmäler derer von Boyneburgk bezeugen die Verbundenheit dieses Geschlechtes mit dem Dorf. Die Blütezeit Bischhausens lag im 17. bis 19. Jahrhundert; die herrschaftlichen Verwaltungssitze und adligen Güter sowie die Herbergen an der Durchgangsstraße mit ihren Poststationen legten den Grundstein für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Vom 17. Jahrhundert bis 1920 gab es in Bischhausen eine jüdische Gemeinde. Im Jahre 1939 hatte der Ort 1066 Einwohner. Im Zuge der Gebietsreform in Hessen kam Bischhausen 1971 zur Stadt Waldkappel. In Jahr 2011 wurde Bischhausen 1225 Jahre alt. Der Ortsteil Bischhausen hat zurzeit 910 Einwohner (Stand: 01.01.2022). Bischhausen © Jens Siebert Waldkappel im Porträt 8

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