Seite 9 - cuxhaven_chronik_leseprobe

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Die Elbe geht baden
A
n der weltbekannten Kugelbake
in Cuxhaven küssen sich Land
und Meer. Hier wird nach einer
mehr als zehn Tage langen Reise
vom Riesengebirge hinab durch
Böhmen, Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Niedersachsen die Elbe end-
lich in die Nordsee entlassen. 1300
Meter Höhenunterschied verleihen
Deutschlands drittgrößtem Strom
den nötigen Drive dazu. Wer amUfer
den großen Pötten bei ihrer Ausfahrt
in die Außenelbe nachblickt, der ahnt
schnell, warum an dieser Stelle eine
Stadt entstand. In der Geschichte sind
es fast immer bestehende Machtzen-
tren oder Handelswege, Flussüber-
gänge und Gebirgspässe, an denen
Städte wachsen. Menschen siedeln
stets dort, wo es sich gut leben lässt
und wo auch andere vorbeikommen.
Die Elbe ist seit Menschengedenken
eine zentrale Verkehrsader Mitteleu-
ropas. Und die Hamburger Pfe ersä-
cke, einmal zu Geld und entsprechen-
der Macht gekommen, legen größten
Wert darauf, dass ihnen niemand den
Weg in die weite Welt verbaut.
Ohne die Elbe gäbe es also Cuxhaven
nicht. Cuxhaven ist damit gewisser-
maßen ein Kind der Eiszeiten, die die
Erde vor rund zwei Millionen Jahren
in den Kältegri nehmen. Dabei
tut sich anfangs wenig in unserem
Sinne. Riesige Gletschermassen
schmirgeln in mehreren Schüben die
Norddeutsche Tiefebene platt und
bringen alles durcheinander. 200
000 Jahre vor heute walzt sich das
Eis wieder einmal von Norden zu
Tal und hat gewaltige Frachten Fels
und Sand im Gepäck. Saale-Glazial
nennt man diese Epoche, die vor
allem der Elbe Leben einhaucht. Kurz
vor den Tälern, durch die der Fluss
sich heute durchs Gestein schlängelt,
kommen die Gletscher nämlich in
verschiedenen Schüben zeitweise zum
Halten, weil sie gegen die ansteigende
Landscha ihre Kra verlieren. Wenn
in wärmeren Sommern viel Eis am
Gletscherrand schmilzt, kann es nur
auf kurzen Strecken gen Süden ab ie-
ßen und wird dann vom ansteigenden
Terrain ausgebremst. Es sammelt
sich in Senken und rauscht durch
natürliche Rinnen teils mit gewaltiger
Kra zurück nach Norden. Parallel
zur Gletscherkante fräst somit das
Schmelzwasser die Urstromtäler der
Elbe aus dem Gestein.
Der Fluss ist geboren und entwässert
auch nach dem Ende der Vereisung
das Böhmische Becken gen Nor-
den. Heute hat die Elbe übrigens
ein Einzugsgebiet von rund 150 000
Quadratkilometern. Als 80 000 Jahre
früher die letzte große Vereisung
einsetzt, wird so viel Süßwasser
in Gletschern gebunden, dass der
Meeresspiegel dramatisch sinkt. Die
heutige Deutsche Bucht zwischen
Dänemark und England ist zu dieser
Zeit eine zugige Kältesteppe – und die
Weser ein Neben uss der mächti-
gen Elbe. Als dann vor rund 15 000
Jahren das Eis wieder zu schmelzen
beginnt, wird das Urstromtal durch
Schmelzwassermassen aus Schleswig-
Holstein und Mecklenburg nochmals
massiv ausgewaschen. Teilweise ist es
bis zu 20 Kilometer breit! Dafür geht
der Fluss im wahrsten Sinne baden:
Das Nordseebecken füllt sich von
Norden her allmählich mit Wasser.
Der Meeresspiegel steigt drama-
tisch um rund 100 Meter an und der
Flusslauf der Elbe verschwindet bis
zur Höhe Cuxhavens nach und nach
unter demMeeresspiegel. Das sieht
Heute hat die Elbe
ein Einzugsgebiet
von 150 000
Quadratkilometern.
Was auf dieser Flä-
che nicht versickert,
passiert Cuxhaven.
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200 000 Jahre v. Chr. Stadt-, Land- und Flussgeschichte