Seite 7 - chronik_neuwied_leseprobe

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Vor Christi Geburt
zentrum und Museum für mensch-
liche Verhaltensevolution (siehe auch
Seite 74).
Die Siedlung von Gönnersdorf
hat auf der anderen Rheinseite ein
Pendant: Auch in Andernach fanden
Archäologen zahlreiche Zeugnisse
menschlicher Wohnstätten aus dem
späten Eiszeitalter. An beiden Ausgra-
bungsorten stießen die Wissenscha -
ler auf Fundstücke, die zu den best-
erhaltenen dieser Epoche überhaupt
gehören und einzigartige Einblicke in
die Lebensweise und die Kultur der
Jäger- und Sammlergemeinscha en
dieser Epoche ermöglichen.
Es ist nicht nur sehr unwahrschein-
lich, sondern im Prinzip unmöglich,
dass heutige Neuwieder Familien eine
ununterbrochene Ahnenlinie zu den
Menschen aus dem Gönnersdorf am
Ende der Eiszeit haben. Das liegt nicht
nur an den Jahrtausenden, die seitdem
verstrichen, sondern vor allem an der
Lebensform der „Ur-Neuwieder“: Die
Gönnersdorfer Behausungen waren
eine Siedlung auf Zeit.
In kleineren Gruppen legten die Men-
schen damals o enorme Strecken in
der eiszeitlichen Gras-Steppe zurück –
und sie trafen sich dann mit Menschen
aus ganz anderen Regionen an be-
Seit wann gibt es Neuwieder?
Eine Neuwiederin oder ein Neuwieder, die oder der als Schmuck ein
Amulett aus Rentier-Zähnen trägt? Ein seltsam anmutender, aber
nicht abwegiger Gedanke – wenn man davon ausgeht, dass sich
dies vor sehr langer Zeit abspielte. Vor rund 15.500 Jahren lebten
bereits Menschen im heutigen Stadtgebiet. Und die hatten natürlich
einen etwas anderen Geschmack als ihre Nachfahren mehr als
500 Generationen später.
So könnte ein
Gönnersdorfer Zelt
vor rund 15.000
Jahren ausgesehen
haben.
F
ür die Archäologen war es ein
extremer Glücksfall, als in den
60er-Jahren des 20. Jahrhunderts in
Gönnersdorf im heutigen Stadtteil
Feldkirchen Überreste einer mensch-
lichen Siedlung entdeckt wurden.
Beim damaligen Stand der Forschung
bedeuteten die Funde wissenscha -
liche Sensationen. Die umfang-
reichen Ausgrabungen zwischen 1968
und 1976 und die darauf basierenden
intensiven Forschungen brachten
die Erkenntnis, dass schon
vor rund 15.500 Jahren
Menschen in Mittel-
europa feste
Wohn-
stätten hatten und nicht nur in
Horden umherzogen. Und sie
lieferten außergewöhnliche Belege
für die künstlerische Kreativität der
Menschen im Mittelrheingebiet weit
mehr als 10.000 Jahre vor unserer
Zeitrechnung.
Die Altsteinzeit-Siedlung von Gön-
nersdorf wird auf rund 13.500 vor
Christus datiert. Sie ist hervorragend
erforscht, was vor allem ein Verdienst
der Wissenscha ler ist, die in Schloss
Monrepos arbeiten. Das ehemalige
„Waldheim“ im früheren Sommersitz
der fürstlich-wiedischen Familie
ist heute ein Archäologi-
sches Forschungs-
Dör iches Leben
in der Altsteinzeit-
Siedlung
Schmuckstück aus der
menschlichen Früh-
geschichte: ein Amulett
aus Rentier-Zähnen