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Wilhelmshaven im Spiegel der Zeit
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damals rund einen halben Meter
unter Normalnull, stieg bald aber
merklich an. Dieser Bedrohung und
dem täglichen Wechsel von Ebbe und
Flut trotzten die Menschen der Eisen-
zeit ab dem 1. Jahrhundert n. Chr.
auf künstlichen Hügeln. Einige dieser
Wurten findet man auch heute noch
in Wilhelmshaven und Umgebung.
Vom 7. bis 10. Jahrhundert etwa leb-
ten Menschen in vier Gehöften rund
um einen Süßwasserspeicher – einen
Fething – auf der Wurt Hessens. Die
Archäologen Werner Haarnagel und
Dr. Waldemar Reinhardt (ehemaliger
Leiter des Stadtarchivs Wilhelmhaven)
vom heutigen Niedersächsischen In-
stitut für historische Küstenforschung
gruben sie zwischen 1939 und 1963
am Westrand der Stadt zwischen der
Bahnlinie nach Sande und dem Ems-
Jade-Kanal aus. Um die Zeitenwende
kamen auch die Römer unter Drusus
und dann Tiberius in den Norden und
brachten die Küstenvölker unter ihre
Gewalt, berichtet Velleius Paterculus.
Bei Jemgum an der Ems bauten sie
womöglich einen Stützpunkt, doch
im Aufstand der den Chauken west-
lich benachbarten Friesen ging ihre
Herrschaft schon 28 n. Chr. wieder
unter. So kamen sie nur noch einmal
im Jahr 41 n. Chr. an die Nordsee, um
sich den letzten Legionsadler von den
Chauken zurückzuholen. 77 n. Chr.
lästerte der römische Gelehrte Plinius
der Ältere in seiner „Naturgeschichte“:
„Dort bewohnt ein beklagenswer-
tes Volk hohe Erdhügel, die mit den
Händen nach dem Maß der höchsten
Flut errichtet sind. In ihren Hütten
gleichen sie Seefahrern, wenn das
mit mehreren Dutzend Ruderern be-
setzt waren, im 3. Jahrhundert n. Chr.
zunächst die gallische Küste, nur zwei
Jahrhunderte später auch Britannien.
Indem sie alsbald ihre Herrschaft auf
den Süden der Insel ausdehnten,
wussten die unbeliebten Invasoren
die Meinungsbildung mit Wort und
Schwert für sich positiv zu beeinflus-
sen. Mittlerweile bereiteten sich die
Friesen durch Wanderung nach Osten
in die sächsischen Kernlande auf ihren
großen Auftritt in der Geschichte vor.
Das römische Kaiserreich im Süden
war längst Geschichte, als die Friesen
im frühen Mittelalter als gefragte
Händler Kasse machten. Während die
Bauern von den Dorfwurten aus ihr
Vieh im Marschland hüteten, herrsch-
te über die Priele und zahlreichen
Meeresbuchten reger Schiffsverkehr
zu den Langwurten, auf denen
geschäftige Handelsstützpunkte
entstanden. Nesse oder Emden sind
im Kern daraus entstanden.
Begehrte friesische Tuche ließen sich
im 7. und 8. Jahrhundert bis nach
Arabien absetzen. Beispiele dafür
findet man gut konserviert noch im
Küstenmuseum. Im Pendelverkehr
reisten die friesischen Händler zu den
Handelsknoten der damaligen Zeit,
wie dem berühmten Ort Haithabu an
der Ostsee. Karl der Große war begeis-
tert: Chronisten berichten gar, der
Franke habe die wackeren Friesen zu
seinem Lieblingsvolk erkoren!
Wasser das sie umgebende Land
bedeckt, und Schiffbrüchigen, wenn
es zurückgewichen ist und ihre
Hütten gleich gestrandeten Schiffen
dort liegen.“ Den Chauken sei es nicht
vergönnt, Vieh zu halten – ein Fehler,
wie Ausgrabungen zeigen – wie ihren
Nachbarn, ja nicht einmal mit wilden
Tieren zu kämpfen, da jedes Busch-
werk fehle. Aus Schilfgras und Binsen
flöchten sie Netze zum Fischfang.
„Und indem sie den mit den Händen
ergriffenen Schlamm mehr im Winde
als in der Sonne trocknen, erwärmen
sie ihre Speise und die vom Nordwind
erstarrten Glieder durch Erde.“ Bis ins
20. Jahrhundert waren Torföfen in
Friesland keine Seltenheit.
Bei Chronist Tacitus standen die
Chauken 20 Jahre später in besserem
Ruf. Er hielt sie für das „vornehmste
Volk unter den Germanen, das seine
Größe lieber durch Gerechtigkeit er-
halten will.“ Ohne Habgier, ruhig und
abgeschieden forderten sie nicht zum
Krieg heraus, schadeten nicht durch
Raub- und Plünderungszüge.
Das sollte sich ändern, als die Chauken
gegen 150 n. Chr. mit eindringenden
Reudingern aus dem Norden im
Stamm der Sachsen aufgingen. Als
gefürchtete Seefahrer und versierte
Bootsbauer machten sächsische
Trupps weit über die friesischen Küs-
ten hinaus von sich reden. Zwischen
Ems und Elbe zu Hause überfielen sie
mit ihren wendigen Langschiffen, die
Knochenkämme und Spinnwirtel oder Spielsteine von der Wurt Hessens in Wilhelmshaven,
7.-9. Jahrhundert
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