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U
nter frisch gefallenen Blättern ist
der Weg kaum zu erkennen. In langer
Spirale führt er rollstuhlgerecht, wenn
auch mit Kopfsteinen gepflastert, hin-
auf auf die Sibetsburg. Geleerte Müll-
eimer, zwei saubere Wassergräben
und ein akkurat geschnittener Rasen
prägen ein beschauliches Bild. Vögel
singen auf den Ästen ein romanti-
sches Abendlied. Die Sonne versinkt
eben hinter den weiß getünchten
Siedlungshäusern ringsum.
Mehrfach dröhnen in der Ferne
einige Kampfflugzeuge vorbei. Auch
zu anderen Zeiten ging es an die-
sem lauschigen Fleckchen weniger
schwer. Jetzt scharten einige wenige
Sippen ihre Getreuen um sich und
schwangen sich zu dynastischen
Herren auf. Die Friesische Freiheit
zerbrach in vielgliedriger Kleinstaa-
terei. Als erster Häuptling der Gaue
Östringen und Rüstringen, des Banter
Viertels und des Wangerlandes gebot
ab 1355 Edo Wiemken der Ältere über
das Gebiet an der Jademündung.
Allerdings hielten seine Landsleute
Steuern für eine Zumutung und auch
Lehnsherren wollten die Friesen nicht
werden. Die ständigen Fehden aller-
dings kosteten einen Haufen Geld.
Doch woher nehmen und nicht steh-
len? Wiemken wusste keine Antwort
darauf – und die Grenze zwischen
herrschaftlichen Kriegen und Seeräu-
berei war in jenen Jahren fließend. So
wurden auch die legendären Vitalien-
brüder um Gödeke Michels und Klaus
Störtebeker zu seinen bevorzugten
Geschäftspartnern. Sie waren billig
und stellten keine Fragen. Und statt
der befestigten Banter Kirche setzte
er auf eigene Burgen bei Schaar und
in Jever.
Die waren bald bitter nötig. Die
Hansestädte Hamburg und Bremen
fürchteten um den freien Handel. Als
sie von flandrischen Städten auch
Unter Seeräubern
1416 Kampf um die Sibetsburg
Für das Küsten-
museumwurde
die Burg nach den
Grabungsbefunden
rekonstruiert.
friedlich zu. Eine Bronzetafel auf dem
wohl fünf Meter hohen Baugrund
informiert darüber. Viele Zahlen,
dürre Worte für wahrhaft dramatische
Ereignisse. 1983, zur 600-Jahr-Feier der
Burggründung, wurden sie aufge-
schrieben.
1383 hatte Edo Wiemken der Ältere
den Grundstein seiner Edenburg
gelegt. Sein Enkel Sibet gab ihr den
heutigen Namen. Ein Zeitenwechsel
wurde damit zu Stein: Ein weiteres
halbes Jahrtausend zuvor hatten
unerschrockene friesische Truppen
885 einen Angriff der Normannen auf
das Frankenreich zurückgeschlagen.
Kaiser Karl der Dicke dankte auf seine
Weise: Nur dem Kaiser sollten sie
künftig direkt untertan sein, sich ihre
Anführer aber selbst wählen dürfen.
Die Friesische Freiheit wurde legen-
där. Jedes Jahr zu Pfingsten kamen
die Gesandten am Upstalsboom
bei Aurich zusammen, um über ihre
Belange zu beraten und Recht zu
sprechen. „Der Stamm ist nach außen
frei, keinem anderen Herrn unterwor-
fen. Für die Freiheit gehen sie in den
Tod“, staunte der britische Mönch
Bartholomeaus Anglicus im Jahr 1240.
Im 14. Jahrhundert trafen Sturmfluten,
Hungersnöte und die Pest die Friesen
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