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Heiraten in Wurzen
Hochzeitsbräuche gehören zu einer Hochzeit wie der Schleier zur
Braut. Es hat sie schon immer gegeben. Manche davon sind den
meisten Menschen geläufig, ohne dass sie jedoch die genaue
Bedeutung kennen, während andere Bräuche in Vergessenheit
geraten sind.
Der Brautraub
In der früheren Menschheitsgeschichte war es noch üblich, dass
die Familien der Brautleute die Hochzeit vereinbarten. In man-
chen Kulturen ist das auch heute noch der Fall. Viele junge Män-
ner wussten sich deshalb nicht anders zu helfen, als die auser-
wählte Frau aus ihrer Familie zu rauben und die Eltern um die
Einwilligung zu der Hochzeit zu erpressen. Bei Hochzeitsfeiern
soll die Brautentführung heutzutage für Stimmung sorgen. Die
Braut wird von Freunden in ein anderes Lokal „entführt“.
Der Bräutigam muss sich auf die Suche nach seiner Frau machen
und überreicht ihr den Brautstrauß, wenn er sie gefunden hat.
Oft wird noch zusammen gesungen. Nachdem der Bräutigam die
Zeche bezahlt hat, begleiten die Gäste das Brautpaar zurück ins
Lokal. Dort gibt der Bräutigam dann eine amüsante Tanzeinlage:
Er muss mit umgehängten Flaschen und hochgekrempelter Hose
mit einem Besen tanzen. Eine wichtige Voraussetzung für das
Gelingen dieses Brauches ist, dass sich alle Beteiligten auf den
Spaß einlassen. Die Freunde der Braut sollten diese außerdem
nicht an einen Ort entführen, an dem sie nicht gefunden werden
kann.
Über die Schwelle tragen
Der folgende Brauch sollte früher dazu dienen, böse Geister abzu-
schütteln. Beim ersten Betreten der neuen gemeinsamen Woh-
nung musste der Bräutigam die Braut über die Schwelle tragen,
um böse Geister abzuschütteln, welche die Braut verfolgen. Den-
selben Zweck erfüllt auch ein Sprung der Braut über die Schwelle.
Dieser Brauch hat sich bis heute gehalten, obwohl die meisten
Paare schon vor der Ehe zusammenleben.
Hochzeitsbräuche
Der Geldregen
In manchen Orten ist es üblich, dass das Brautpaar
nach der kirchlichen Hochzeit Münzen bereithält.
Oft wird ein Seil vor das Kirchenportal gespannt,
welches das Brautpaar am Weitergehen hindert. Mit einer
kleinen Geldsumme kauft sich der Bräutigam dann von seinen
Junggesellensünden frei. Andernorts gibt es den Brauch, dass
das Brautpaar Münzen wirft. Es muss sich allerdings um eine
gerade Anzahl handeln, denn nur diese zieht Reichtum nach sich.
Es ist auch wichtig, die Münzen mit der rechten Hand zu werfen,
damit Braut und Bräutigam gute Nachbarn werden.
Die Requisiten
Um des Glückes willen muss die Braut auf viele Details achten.
Sie braucht als persönliche Ausstattung an ihrem Hochzeitstag
etwas Altes, z. B. ein altes Taschentuch, etwas Neues, z. B. ein
neues Schmuckstück, etwas Geliehenes, z. B. den Unterrock,
und etwas Blaues, z. B. ein himmelblaues Strumpfband. „Das
Alte steht für das vergangene Leben der Braut, das Neue für den
Status als Ehefrau, das Geliehene für Freundschaft und das Blaue
für die Treue“, schreibt Konrad Berg.
Die Strumpfbandversteigerung
Ein blaues Strumpfband zu tragen hat noch einen weiteren Sinn.
Im Laufe der Hochzeitsfeier wird es versteigert, wobei Männer
und Frauen gegeneinander bieten. Wenn die Männer bieten,
hebt die Braut ihr Kleid ein Stück höher, wenn die Frauen bie-
ten, lässt sie es wieder ein Stück sinken. Wer das Strumpfband
zuerst sieht, hat es ersteigert. Mitunter kommt dabei eine ganz
beträchtliche Summe Geld zusammen, die dem Brautpaar für die
Flitterwochen übergeben wird.
Der Brautstrauß
Der Brautstrauß ist ebenfalls ein wichtiges Requisit. Blumen
gehören zu jedem Fest, sie drücken die feierliche Stimmung aus.
Zum einen gibt die Braut mit frischen Blumen in der Hand ein