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„Ein Ort, an dem alle Märchen und Sagen wahr wurden.“ Mit diesen
euphorischen Worten hat der Archäologe WilhelmWinkelmann in den
siebziger Jahren den Ikenberg beschrieben. Einige Jahre zuvor hätte
er damit wohl nur Achselzucken geerntet. Der Ikenberg, das war doch
nur ein schlichter Abhang zwischen dem östlichen Paderquellbecken
und dem Dom – ein Trümmergrundstück aus dem Zweiten Weltkrieg,
das 1963 endlich neu bebaut werden sollte. Dass der Ikenberg ein
Geheimnis barg, dessen Entdeckung einer historischen Sensation
gleichkommen sollte, war unvorstellbar.
Jener berühmte Ort
A
ls Wilhelm Winkelmann 1964
vom Landschaftsverband
Westfalen-Lippe den Auftrag einer
archäologischen Spurensuche an den
Paderquellen erhielt, ahnte er nicht,
was er entdecken sollte. Innerhalb ei-
nes Jahrzehnts förderte er die Reste
einer glanzvollen Epoche der Stadt-
geschichte zu Tage. Er entdeckte die
Reste einer karolingischen Pfalz aus
dem 8. Jahrhundert mit Kirche und
Nebengebäuden sowie eine zweite
Pfalzanlage aus der Ottonen- und
Salierzeit im 11. Jahrhundert.
Schon als man 1935 das Haus Iken-
berg 11 niederriss, kam ein imposan-
ter Rundbogen ans Licht – ein erster
Zeuge aus dem Mittelalter, den man
irrtümlich für das Tor eines Pferde-
stalls hielt. Nur Eingeweihte erinner-
ten sich bereits damals an die „Vita
Meinwerci“. Diese Lebensbeschrei-
bung Bischof Meinwerks, der 1009
bis 1036 die Geschicke des Bistums
leitete, enthielt Hinweise auf ein
großes Bauwerk (vgl. 1009).
Dennoch dauerte es fast dreißig
Jahre, bis man erneut den Unter-
grund des Ikenbergs untersuchte.
Als 1963 dort größere Schuttmas-
sen abgeräumt wurden, um die
Neubebauung des Geländes vorzu-
bereiten, fanden die Bauarbeiter
mittelalterliche Baureste. Schon
bald stießen die Archäologen in den
sich vielfach überlagernden Boden-
schichten auf ein Gewirr von Mau-
erzügen von Bauwerken aus ver-
schiedenen Epochen. Unzählige
Funde wurden aus dem Boden ge-
borgen: Stücke farbiger Wandma-
lerei mit Resten von Mosaiken und
Spiralen, Bruchstücke einer monu-
mentalen Wandinschrift aus dem
8. Jahrhundert, Säulenreste, Ziegel-
und Glasscherben.
Unter den Wohnhäusern am Domabhang
oberhalb der Paderquellen verbargen sich
die Reste der tausend Jahre alten Pfalzan-
lagen.
Foto: Stadtarchiv Paderborn