Seite 16 - Regensburg - Im Spiegel der Zeit

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80 Die Römer errichten einen Grenzposten
D
ie Militärstrategen in Rom hatten
die Lage eigentlich vollkommen
richtig eingeschätzt. Sie gingen davon
aus, dass sich die Nord­ und Ostgren­
ze der Provinz Raetien, die sich vom
Bodensee bis zum Inn und von den
Alpen bis zur Donau erstreckte, prak­
tisch von selbst verteidigte. Die Donau
bildete eine natürliche Barriere, nörd­
lich davon erstreckten sich undring­
liche Urwälder sowie die Höhenzüge
der Fränkischen Alb und des Ober­
pfälzer Waldes. Und östlich der Donau
machte der Bayerische Wald einen
groß angelegten Aufmarsch gegen
das Römische Reich unmöglich. Die
einzigen Einfallstore waren die Täler
der Nebenflüsse, die von Norden
her in die Donau flossen. Vor allem
die Naab und der Regen waren die
Schwachstellen in dieser natürlichen
Verteidigungslinie, das erkannte auch
die oberste Militärführung. Aber offen­
bar konnten sich die römischen Kaiser
und Heerführer nicht vorstellen, dass
die Germanenstämme in Böhmen und
nördlich der Donau willens und in der
Lage sind, einen ernst zu nehmenden
Angriff auf das Imperium Romanum
zu starten. Ein folgenschwerer Irrtum,
der tausenden Menschen das Leben
kosten sollte.
Nach der Unterwerfung Galliens und
einem Sieg über die Raeter und Vin­
deliker im Jahre 15 v. Chr. verleibten
sich die Römer den Alpenraum ein
und stießen bis zur Donau vor. Der
Raum Regensburg war zu dieser Zeit
nur dünn besiedelt, die Kelten hatten
sich zurückgezogen bzw. hatten sich
nach inneren Auseinandersetzungen
zerstreut. Der Widerstand gegen die
Römer war nicht weiter nennenswert.
Demzufolge unternahm die Militär­
führung auch nichts, um die Donau
zu sichern. Die römischen Kaiser kon­
zentrierten sich zunächst darauf, die
Rheingrenze auszubauen, denn die
Gefahr durch die rechtsrheinischen
Germanenstämme erschien wesentlich
größer als ein Angriff auf Raetien. So
entstanden die ersten großen Römer­
städte auf deutschem Boden, zum Bei­
spiel Trier, Mainz und Köln. Die Provinz
Raetien wurde von Augsburg aus ver­
waltet, das aus einem großen Waffen­
platz hervorgegangen war.
Der Verlust von drei Legionen in der
Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. führte
den Römern allerdings drastisch vor
Augen, dass die Grenze zu den germa­
nischen Stämmen nicht sicher war. So
entstand im Laufe des ersten Jahrhun­
derts n. Chr. der germanisch­raetische
Limes, eine künstliche Grenzbefesti­
gung zwischen Rhein und Donau.
Zur Überwachung der Donau bauten
die Römer etwa ab dem Jahr 40 n. Chr.
zahlreiche Kleinkastelle, vermutlich
auch am Donauknie. Eindeutig belegt
ist aber, dass um das Jahr 80 n. Chr.
auf einem Hangsporn im heutigen
Stadtteil Kumpfmühl ein Militärlager
errichtet wurde, entweder für eine
500 Mann starke berittene Kohorte
oder eine Doppelkohorte mit rund
1.000 Fußsoldaten. Die Einheiten, die
im Laufe der nächsten Jahrzehnte hier
stationiert wurden, waren Hilfstruppen
(auxilia) mit Soldaten aus den Provin­
zen des Römischen Reiches, die das
römische Bürgerrecht erst nach Ableis­
tung ihres Militärdienstes erhielten.
Für die ersten Einheiten, die an das
Donauknie geschickt wurden, bot sich
ein ernüchterndes Bild. Sie standen
vermutlich in einer menschenleeren
Wildnis, denn sonstige Siedlungsspu­
ren sind aus dieser Zeit nicht bekannt.
Sie leisteten also echte Pionierarbeit,
und das hieß konkret: Sie rodeten die
Wälder und bauten sich ein 154 mal
145 Meter großes Lager in Holz­Erde­
Bauweise. Die Soldaten hatten Routine
darin, solche Kleinkastelle aufzustellen,
denn ihre Konstruktion
war im gesamten Römischen
Reich überall gleich. Die Wehrmauer
bestand aus zwei parallel laufenden
Palisadenreihen, die miteinander ver­
bunden wurden. Den Zwischenraum
verfüllten die Legionäre mit gestampf­
ter Erde. Im Vorfeld schützte ein
Graben die Befestigungsanlage und
auf der Mauer verlief ein Wehrgang
zwischen den hölzernen Wachtürmen.
Während der Bauzeit lebten die Sol­
daten sicher sehr spartanisch, aber
die reguläre Wehrzeit von 20 Jahren
war zu lang, um alle Annehmlichkei­
ten des Lebens auf die Zeit nach dem
Wehrdienst zu verschieben. Innerhalb
kürzester Zeit bildete sich neben dem
Militärlager ein sogenanntes Vicus,
ein ziviles Lagerdorf, wo die Soldaten
in Gasthäusern, Bädern und bei ihren
Familien Zerstreuung fanden. Zwar
durften die Legionäre während ihrer
Dienstzeit nicht heiraten, die meisten
von ihnen lebten dennoch in irgend­
einer Weise mit ihrer Frau und den
gemeinsamen Kindern zusammen.
So entstand dörfliches Leben, das
wiederum Händler und Handwerker
anlockte. Die Lebensader des Kastells
war die uralte Fernstraße aus dem
Urbanes Leben unter dem Imperium Romanum
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