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Modellprojekt für Sachsen – „Multiple Häuser“
in den Gemeinden Thallwitz und Lossatal
Der demografische Wandel führt in weiten Regionen Deutschlands
zu einer stetigen Überalterung und damit zum Problem des zuneh-
menden Mobilitätsverlustes dieser wachsenden Bevölkerungs-
gruppe. Dem gegenüber steht die zunehmende Zentralisierung
von Dienstleistungen auf kommunaler Ebene durch die Gemeinde
reformen, aber auch in der Grundversorgung wie Einkaufszentren,
Supermärkte, Ärztehäuser, Sparkasse, Post etc.. Der Verlust einer
kleinteiligen Infrastruktur hat die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungs-
gruppen aus dem öffentlichen Leben zur Folge.
Das Multiple Haus ist der zentrale Ort für
Dienstleistung und Nachbarschaft.
Idee und Ergebnis eines Forschungsprojekts des Büros rb architekten
war die Entwicklung eines prototyphaften multiplen Gebäudes als
bauliche Hülle für verschiedenste Nutzungen, das der Wiederbele-
bung verloren gegangener Infrastruktur und somit der Erhöhung
der Lebensqualität in ländlichen Regionen dient. Vorrangig soll dafür
aufgelassene Bausubstanz genutzt werden, z. B. Gemeindehäuser,
Schulen, Bahnhöfe oder Profanbauten. Das Multiple Haus m. H. ist
eine ökologisch und wirtschaftlich vertretbare Antwort auf die viel-
schichtigen Problemfragen, welche die zunehmend eingeschränkte
Mobilität einer alternden Gesellschaft im ländlichen Raum aufwirft
und eine Lösung, insbesondere für kleine Gemeinden bietet, um leer-
stehende Gebäude zu aktivieren und flexibel zu nutzen. Das Multiple
Haus ist modern und zeitgemäß, da es innovative Ideen unserer Zeit
wie das „Sharing“, also das Teilen, oder das „Co-Working“ adaptiert.
„Multipel“ bedeutet „mehrfach“ –
multipel nutzen heißt vielfältig nutzen.
ImMultiplenHaus können die Nutzungen täglichwechseln: AmMon-
tag kommt der Arzt, am Dienstag berät die Sparkasse, am Mittwoch
hilft die Physiotherapeutin, am Donnerstag kommt die Friseuse, am
Freitag werden Lebensmittel verkauft und abends und am Wochen-
ende gibt es Kaffeeklatsch, Skatabend, Tanz, Chor und Internet-
kurse … Die fehlende Mobilität der Anwohner wird ersetzt durch die
Mobilität und den zentralen Anlaufpunkt der „Dienstleister“. Nach
dem Prinzip des Carsharing teilen sich die Dienstleister und sonstige
Nutzer über Grundmiete und Nutzungsgebühren das Haus. Die Idee
des Multiplen Hauses wurde vom Büro rb architekten bereits 2008
entwickelt und im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“
des Bundesbauministeriums bis zur Ausführungsreife ausgearbeitet.
In einem ersten Modellprojekt hat das Büro rb architekten bereits fünf
Dörfer am Stettiner Haff bei der Umsetzung eines ersten regionalen
Netzwerks Daseinsvorsorge begleitet und diesen Prozess entspre-
chend dokumentiert. Die Häuser wurden 2014 eröffnet.
„Alte Dorfschule m. H.
– durch den einfachen Zusatz m. H. im
Namen wird ein Gebäude als multiples Haus regional und über-
regional identifizierbar, behält aber trotzdem seine Identität und
zeigt „Geschichte“. Ziel der Platzierung dieses Labels ist zum einen
der hohe Wiedererkennungswert und die Werbewirksamkeit, zum
anderen aber auch der Wiederholungseffekt und die Bildung eines
überregionalen Netzwerks.“
Auszug aus dem Abschlussbericht „Alte Dorfschule m. H.“ Vom Leerstand zum
Multiplen Haus – Installieren Multipler Häuser als Netzwerk Daseinsvorsorge im
Landkreis Leipzig
Projekte in die Zukunft
Bürgermeister Thomas Pöge und Bürgermeister Uwe Weigelt